Fluchtursachen aufzeigen

 Friedensaktion gegen Rheinmetall.

Eine klare linke sozialistische Position in der Flüchtlingsfrage gefordert

Am 24. Oktober tritt der Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Gewählt werden an diesem Tag der neue Bundestagspräsident und seine Stellvertreter. Jede Fraktion hat dabei das Recht, einen Vizepräsidenten aus ihren Reihen vorzuschlagen. Es kann sein, dass die SPD zwei der Vize-Posten für sich reklamiert. Abgestimmt wird zudem über die Geschäftsordnung.

Streit wird es um den Kandidaten der AfD für den Posten eines stellvertretenden Bundestagspräsidenten geben. Sollte Alfred Glaser (75), einer der stellvertretenden Parteisprecher der AfD, Kandidat der Partei für den Posten des Bundespräsidenten und früheres CDU-Mitglied, nicht gewählt werden – und das ist wahrscheinlich – muss die AfD nach einem neuen Kandidaten oder einer neuen Kandidatin suchen. Dass sie bis zum 24. Oktober einen anderen Vorschlag macht, ist nicht vorstellbar: Schließlich sucht man bewusst die Provokation.

Streit gibt es vielleicht auch um die Sitzordnung, wahrscheinlich um die Geschäftsordnung. Während jedoch alle anderen Fraktionen sich bereits konstituiert und ihre Gremien gewählt haben, ließ sich die der Partei «Die Linke» Zeit. Dazu und zur internen Verständigung sowie Diskussion um Streitfragen diente die Fraktionsklausur, die am Dienstag und Mittwoch letzter Woche in Potsdam stattfand. Vor allem muss man sich auf die neue politische Situation einstellen: Mit der AfD ist eine Partei der äußersten Rechten neu im Bundestag, die CSU versucht die Unionsparteien nach dem Motto «Rechts von der Union darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben» (Franz-Josef Strauß) weiter nach rechts zu treiben. Die Linkspartei ist nicht mehr stärkste Oppositionskraft, auch wenn sie bei dieser Wahl Stimmen dazu gewonnen hat.

Vor allem in den Berliner Westbezirken und im Westen der Bundesrepublik hat die Linkspartei bei den Bundestagswahlen neue Wählerinnen und Wähler gewonnen. Interessant ist, dass die westlichen Landesverbände in der neuen Fraktion, der 37 Frauen und 32 Männer angehören, die Mehrheit der Abgeordneten stellen. Unter denen aus den «alten» Bundesländern sind nicht wenige, die bislang in Gewerkschaften, in gesellschaftlichen Bewegungen und Initiativen aktiv waren oder Basisarbeit «vor Ort» geleistet haben. Im Osten aber, auch in den Berliner Hochburgen, hat die Partei trotz der errungenen fünf Direktmandate Wählerinnen und Wähler verloren. Die Ursachen für die Einbrüche im Osten, von denen vor allem die AfD profitierte, müssen analysiert werden. Ein «weiter so» kann es nicht geben.

Dabei wird sich die Partei vor allem auf die eigene Kraft und eigene Positionen besinnen müssen. Die Parteivorsitzende Katja Kipping hatte das am Sonntag, kurz vor der Klausur der Bundestagsfraktion, in einer Rede auf der Parteivorstandstagung betont. Man müsse sich vor Ort wie in der Politik der gesamten Partei mit den Ängsten vieler Menschen auseinandersetzen, Ursachen aufzeigen und Antworten finden. Es gehe darum, «die gemeinsamen Interessen der Beherrschten in den Mittelpunkt zu stellen und gemeinsame Handlungsperspektiven zu eröffnen».

Doch Oskar Lafontaine hatte nach der Bundestagswahl auf Facebook geschrieben, der Schlüssel für die mangelnde Unterstützung der Einkommensschwachen (für die Linkspartei) sei die verfehlte Flüchtlingspolitik. Dieser Vorwurf treffe nicht nur die Linkspartei, «sondern alle bisher im Bundestag vertretenen Parteien, weil bei ihren Antworten auf die weltweite Flüchtlingsproblematik das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit außer Kraft gesetzt wurde». Suggeriert wurde damit, dass es die Flüchtlingspolitik der Partei sei, die ihr – vor allem im Osten – viele Stimmen gekostet habe. Das sorgte für teils heftige Diskussionen. Kipping wies die Position von Lafontaine zwar in ihrem Referat zurück, blieb aber unkonkret. Dagegen sprach die Kommunistischen Plattform (KPF) in der Partei «Die Linke» «Klartext». In einer Erklärung, die die «junge Welt» am 16. Oktober veröffentlichte, wird nicht nur darauf verwiesen, dass und wie beständig – in und durch bürgerliche Medien – Meinungen manipuliert, «Sorgen» beschrieben werden.

Aber wer trägt zum Beispiel tatsächlich die Verantwortung dafür, wenn Arbeitsmigranten als Lohndrücker missbraucht werden?

«Um von den Hauptkonflikten in der Gesellschaft – zuvörderst dem zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern – abzulenken, wurden immer schon Sündenböcke benötigt.»

In der Erklärung wird eine klare Position der Partei, wie zum Beispiel zuvor im Wahlprogramm formuliert, gefordert: Für Asyl, für die Aufnahme von Menschen in Not, für Integration, gegen Abschiebungen. Eine linke sozialistische Partei muss über die Ursachen von Flucht aufklären und über die gesellschaftlichen Ursachen von Armut, Unsicherheit, Angst hierzulande: «In Solidarität mit denen, die sich hierzulande am unteren Ende der Einkommensskala befinden, und ebenso mit jenen, deren Elend noch unvergleichlich größer ist. Eine linke sozialistische Partei spielt nicht die mehr oder weniger Unterdrückten gegeneinander aus. Sie steht für das Prinzip des Internationalismus und fordert eine wesentlich qualifiziertere Sozialpolitik. Die Gelder wären da, wenn denn zum Beispiel mit den Auslandsmilitäreinsätzen Schluss gemacht würde. Dieses Herangehen sei nicht politiktauglich, sagt man uns. Es ist so: Für bürgerliche Politik taugt dieses Herangehen nicht. Sozialistische Politik aber geht nur so.» Man muss sagen, was ist.

Übrigens: Im Vorfeld der Fraktionsklausur der Linkspartei hatten bürgerliche Medien Stimmung gemacht, Gerüchte in Umlauf gebracht, versucht die Parteivorsitzenden gegen den Fraktionsvorstand auszuspielen. Noch am Dienstag wurde «vorausgesagt», auf der Klausur wolle man Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, die bisherigen Vorsitzenden der Fraktion, «entmachten». Als wären Wechsel völlig ungewöhnlich. Riexinger und Kipping würden vor allem ihren eigenen Einfluss in der Fraktion stärken wollen. Vor allem die «Bild»-Zeitung machte – und das kurz vor der Niedersachsenwahl – Stimmung. Das Dementi von Riexinger wurde nicht veröffentlicht.

Nina Hager
UZ vom 20. Oktober 2017
Foto: Berndt Bellwinckel


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