Kultur

Kleines Anstandsbuch für Flüchtlinge

Asylbewerber in einer Sammelunterkunft. 

chen+++aktenzeichen+++aktenzeichen+++aktenzeichen++

[Vorsicht Satire!]

Sehr
geehrter Asylant,

aus gegebenem Anlass konfrontieren wir Sie heute mit einigen wichtigen Anstandsregeln für Ihren Aufenthalt. Diese sind von Ihnen einzuüben und verbindlich einzuhalten bis zu Ihrer Abschiebung.

  1. Der Flüchtling erhält zur Begrüßung im Auftrag der Leitkultur folgenden eingerahmten Merkspruch: «wer sich wehrt, wird bekehrt». Außerdem zur Erbauung ein kleines Kruzifix aus deutscher Eiche zum Aufhängen über seinem Bett.
  2. Der Flüchtling freut sich von ganzem Herzen über jeden Tag, den er sich in Deutschland aufhält und geduldet ist. Demutsvoll nimmt er alles entgegen, was ihm während seines Aufenthaltes widerfährt. – Kleine Brandstiftungen im Flüchtlingsheim werden von ihm daher großzügig ignoriert.
  3. Der Flüchtling nutzt die Zeit, bis er abgeschoben wird damit, dass er sich die wichtigsten Deutschkenntnisse aneignet, die zum Lesen des amtlichen Ablehnungsbescheides wichtig sind.
    Wörter wie «Rechtsmittelbelehrung», «Widerspruch», «Menschenrechte» oder «Demokratie» braucht er nicht einzuüben, weil sie für ihn nicht gültig sind.
  4. Wenn der Flüchtling seinen Ablehnungsbescheid über Asyl erhält, bedankt er sich zunächst höflich und freundlich bei dem Polizeibeamten, der ihn abholen will und hält ihm seine Hände zur Fesselung mit den Handschellen hin.
    Zum Abschied übergibt er dem ausgewählt freundlichen, lustigen und höflichen Personal des Sicherheitsdienstes ein kleines, selbstgepflücktes Blumensträußchen.
  5. Wer sich nicht freiwillig abschieben lässt, wird bis zur Abschiebung eingesperrt.
  6. An dem Tag, wo der Flüchtling abgeschoben wird, blickt er an der Grenze zum Abschied mit großer Dankbarkeit nach Deutschland zurück und drückt verstohlen eine Träne aus dem Auge mit einem Taschentuch, das ihm der Polizist hinhält.

Das deutsche Abschiebe- und Heimatsicherungs-Ministerium

 Werner Lutz
Foto: Andreas Bohnenstengel,
CC BY-SA 3.0 de, Link


Der Deutsche Einheit(z)-Textdienst ist ein Satire-Rundbrief mit Monologen, Dialogen und Sachtexten zu aktuellen Themen. Er erscheint monatlich als Artikel-Service für interessierte Verlage und Redaktionen von Zeitungen und Politischen Magazinen. Abdrucke sind grundsätzlich honorarpflichtig, bei Alternativ-Presse und Kleinzeitungen kostenfrei. 1 Belegexemplar erwünscht.