Partei

Es gibt keinen linken Antikommunismus

Diskussionsbeitrag von Ellen Brombacher auf dem 18. Parteitag der DKP in Mörfelden-Walldorf, 23. Februar 2008

Liebe Genossinnen und Genossen, ich möchte drei Überlegungen äußern:

Erstens: Der durch keine Gegenmacht mehr gebremste reale Kapitalismus, der so gern durch Vorwörter wie Turbo- oder Raubtierkapitalismus verbrämt wird, als gäbe es auch eine Kuscheltierprofitmaximierung - dieser ungebremst agierende reale Kapitalismus hat für viele Menschen in diesem Land seine Anziehungskraft verloren. 

Daraus ergeben sich für die meisten noch keine aktiven politischen Konsequenzen. Aber sie werden offener für antikapitalistische Erwägungen.

Die herrschende Klasse tut alles, um dieser Tendenz entgegenzuwirken. Plötzlich gibt es den Fall Zumwinkel und Frau Merkel sagt dem Staatschef von Liechtenstein empört die Meinung. Das Projekt der Volksgemeinschaft läßt aus der Ferne grüßen. Doch nicht nur die bigotte Empörung über amoralische, scheinbar jenseits der Produktionsverhältnisse verkommen gewordene Spitzenmanager soll davon ablenken, daß Kapitalismus asozial, überhaupt nicht friedfertig und zunehmend weniger bürgerlich-demokratisch funktioniert. Geschürt wird natürlich parallel die antikommunistische Hysterie. Wir erleben das besonders in diesen Tagen. Daß in meiner Partei manche gerade jetzt wieder laut rufen, man dürfe mit der DKP generell nicht mehr zusammenarbeiten, hat viel mit dieser Hysterie zu tun. In drei Monaten wird in Cottbus der Parteitag der LINKEN stattfinden. Es ist ein Antrag angekündigt, durch dessen Annahme für zukünftige Wahlen jegliche Zusammenarbeit mit der DKP unmöglich würde. Ihr könnt sicher sein, daß die Genossinnen und Genossen der Kommunistischen Plattform gegen einen solchen Antrag kämpfen werden. Die Annahme eines solchen käme einem Unvereinbarkeitsbeschluß gleich. Es wäre eine Übernahme antikommunistischer Maßstäbe in eine linke Partei. Aber: es gibt keinen linken Antikommunismus und - zumindest auf Dauer - auch keine antikommunistischen Linken. Soweit zum Grundsätzlichen.

Zweitens: Einige Bemerkungen, nicht zu den Ursachen, sondern zum aktuellen Anlaß der gegenwärtigen antikommunistischen Welle. Antikommunismus realisiert sich in erster Linie über die Medien. Medienleute haben diesbezüglich ans Perfekte grenzende Konzepte. Ihre Absichten lassen sich nur konterkarieren, indem man sich nicht vorführen läßt. Fidel Castro hat in seiner Erklärung vom 19. Februar 2008 "Soldat im Kampf um Ideen" gesagt: "Ich mißtraue den scheinbar leichten Pfaden der weltanschaulichen Apologetik oder der weltanschaulichen Selbstgeißelung als deren Gegensatz."

Präziser läßt sich die Pflicht zur Dialektik in den ideologischen Auseinandersetzungen unserer Tage kaum formulieren. Mangelt es an dieser Dialektik, so werden wir schnell Opfer von Provokationen. Die Provokation aber ist die Hauptmethode jedes Journalisten mit antikommunistischem Auftrag. Genossin Christel Wegner hat in ihrer Erklärung gesagt, sie sei arglos gewesen und habe Fehler gemacht. Die Folgen liegen auf der Hand. Die, die in der Linken für ein Zusammenwirken mit der DKP eintreten, sind geschwächt; die Gegner dieser Zusammenarbeit sind gestärkt. Den bürgerlichen Medien wurde Munition geliefert. Und es ist deren Geschäft, zu schießen. Dies zu beklagen, wäre weltfremd.

Und noch eine Bemerkung. Die Kommunistische Plattform hat noch nie einen Hehl aus ihrer Sicht auf Geschichte gemacht. Unsere diesbezüglichen Positionen sind hinlänglich bekannt und über die Jahre in unseren "Mitteilungen" nachlesbar. Ich habe sie immer vertreten und dabei nicht so selten vor Kameras. Mir sind verhörartige Befragungen ebenso bekannt wie Livesendungen. Ich habe erlebt, wie aus einer Stunde Interviewfragen zwei Sendeminuten wurden, und ich habe auch erlebt, daß nichts gesendet wurde. Ich weiß um die unendliche Anspannung in solchen Situationen. Und dennoch: Man darf sich denen gegenüber keine Blöße geben. Ich äußere das nicht leichten Herzens; aber es nicht gesagt zu haben, wäre die pure Heuchelei. Und heucheln würde ich auch, ließe ich hier weg, daß die Verfassungsschutz-Vorwürfe, die Gregor Gysi de facto Christel Wegner gemacht hat, unerträglich sind.

Drittens und abschließend folgendes: Die aus meiner Sicht gegenwärtig entscheidende Gefahr besteht darin, daß sich die marxistisch orientierten Kräfte in Größenordnungen gegeneinander aufhetzen lassen. Es gibt unter ihnen unterschiedliche Auffassungen darüber, wie das Auftreten von Genossin Christel Wegner in Panorama zu bewerten ist und welche Schlußfolgerungen sich daraus ergeben; ob man Erklärungen abgeben müsse oder nicht, und wenn ja, welcher Art. Wir werden von manchen beschimpft, weil es keine Erklärung des Sprecherrates der Kommunistischen Plattform gibt; andere bedrängen uns, auch zukünftig keine abzugeben.

Ich halte diese Situation für fatal. Genau das ist mit Sicherheit eines der Ziele, welches die Macher von Panorama im Blick hatten: Daß nämlich nicht nur der Graben zwischen der Partei DIE LINKE und der DKP tiefer wird, sondern sich auch ein erbitterter Streit zwischen marxistisch orientierten Kräften im Lande entwickelt. Lassen wir nicht zu, daß wir uns gegenseitig demontieren. In Kürze werden sich die Ländervertreter der KPF treffen. Ich persönlich will mich dafür einsetzen, daß wir uns an dieser Art politischer Auseinandersetzung nicht beteiligen werden, sondern unsere Kräfte auf die Vorbereitung des Parteitages im Mai konzentrieren. Und - was die morgigen Hamburgwahlen angeht - so hoffe ich, daß mindestens zehn Kandidatinnen und Kandidaten in den Hamburger Senat einziehen.