Politik

Wie rechts ist die »Al­ter­na­ti­ve für Deutsch­land«?

»Die Alternative für Deutschland hat ihre zwei Millionen Stimmen der Bundestagswahl auch bei der Europawahl wieder mobilisieren können«

 

Wahlplakat der AfD (Ausschnitt): »Die Schweiz ist für Volksentscheide. Wir auch.«.

Klaus Stein re­fe­rier­te bei der VVN Gel­sen­kir­chen über die »Al­ter­na­ti­ve für Deutsch­land« (AfD), wir do­ku­men­tie­ren:

 

Pro NRW, NPD und REPs ha­ben am 25. Mai 2014 im Ver­hält­nis zur Kom­mu­nal­wahl vor fünf Jah­ren (30. Au­gust 2009) in den Städ­ten und Ge­mein­den von NRW 25 536 Stim­men ver­lo­ren. 2009 wa­ren es 84 030 Stim­men, 2014 zu­sam­men mit den 2700 Stim­men für die Par­tei »Die Rech­te« noch 58 494. Die­ser Ver­lust ist mehr als aus­ge­gli­chen wor­den durch die Er­geb­nis­se für die Al­ter­na­ti­ve für Deutsch­land.

 

Die AfD konn­te 174 668 Stim­men = 2,5% ge­win­nen. Wenn man Fa­schis­ten, Rechts­po­pu­lis­ten und die bür­ger­li­chen Par­tei­en aber zu­sam­men­zählt und ih­nen SPD, Grü­ne und lin­ke Par­tei­en ge­gen­über­stellt, ist fest­zu­stel­len, dass das Auf­kom­men der AfD den Ver­trau­ens­ver­lust ge­gen­über rech­ten und bür­ger­li­chen Par­tei­en nicht hat kom­pen­sie­ren kön­nen, zu­sam­men kom­men sie auf ei­nen Ver­lust von 372 043 Stim­men ge­gen­über der Kom­mu­nal­wahl 2009. SPD, Grü­ne und lin­ke Par­tei­en konn­ten da­ge­gen 92 065 Stim­men mehr er­rei­chen. In re­la­ti­ven Zah­len: das bür­ger­li­che La­ger er­rang statt 49% nur noch 46%, da­für das eher »lin­ke« die 49%, das rech­te 46%. Die ge­rin­ge­re Wahl­be­tei­li­gung be­trägt in ab­so­lu­ten Zah­len 350 000, in re­la­ti­ven sank sie von 51,9% auf 50%.

 

An­ders ge­rech­net, die AfD kom­pen­siert mit ih­ren 175 000 Stim­men die Sum­me der Ver­lus­te von CDU (190 000), FDP (330 000), Fa­schis­ten und an­de­ren Rechts­po­pu­lis­ten (25 000) kei­nes­wegs. Aber in­ner­halb die­ses La­gers deu­tet sich ei­ne Ver­schie­bung nach rechts an, der auf der an­de­ren Sei­te ei­ne kei­nes­wegs kla­re Links­ver­schie­bung ent­spricht (Ge­winn der Pi­ra­ten 112 000, Ge­winn der Lin­ken ge­ra­de mal 8 700).

 

Die Rechts­ten­den­zen im bür­ger­li­chen La­ger sind da­zu noch am­bi­va­lent. Zwar ha­ben Pro NRW, REPs und NPD deut­lich Stim­men ver­lo­ren, aber es gibt ei­ni­ge Groß­städ­te, in de­nen Fa­schis­ten erst­mals in den Stadt­rat ein­zie­hen. Die NPD sitzt jetzt in Es­sen und in Bo­chum im Stadt­rat. In Duis­burg ist mit­tels ei­ner wi­der­li­chen Kam­pa­gne ge­gen Flücht­lin­ge er­reicht wor­den, dass jetzt erst­mals 4 Pro NRW-Mit­glie­der und ein NPD-Mit­glied im Stadt­rat sind, da­zu kom­men noch Sit­ze für die AfD. In Dort­mund ge­sellt sich zum NPD-Stadt­rat der Prot­ago­nist der »Rech­ten«. Eben­falls sitzt jetzt im Stadt­rat von Hamm ein Mit­glied der Par­tei »Die Rech­te«.

 

Auch ent­spricht der Ver­lust an Sit­zen noch lan­ge nicht dem Ver­lust an Stim­men. Pro NRW, NPD, REPs und »Rech­te« ha­ben zu­sam­men im­mer noch 36 von vor­her 37 Sit­zen in den NRW-Stadt­rä­ten und Kreis­ta­gen. Pro NRW: 23 (vor­her 15), NPD: 8 (vor­her 13), REPs: 3 (vor­her 9) Rech­te: 2. Die AfD kommt ins­ge­samt schon auf 84 Sit­ze.

 

Kurz zu den an­de­ren Re­sul­ta­ten: In NRW ist die Wahl­be­tei­li­gung bei den Kom­mu­nal­wah­len von 51,9% auf 50% ge­sun­ken. Die FDP hat sich hal­biert. Die CDU hat ab­so­lut und re­la­tiv Stim­men ver­lo­ren (38,7% auf 37,7%), die SPD hat re­la­tiv ge­won­nen (von 29,4 auf 31,3%), al­ler­dings in ab­so­lu­ten Zah­len et­was küm­mer­lich (von 2 122 466 auf 2 155 447, Dif­fe­renz 32 981), Grü­ne ha­ben ab­so­lut und re­la­tiv ver­lo­ren (12,00 auf 11,7%), fast 60 000 Stim­men. Die Lin­ke hat 8684 Stim­men ge­won­nen, kam von 311 155 (4,3%) auf 319 739 (4,6%).

 

Die Bun­des­tags­wah­len vom 22. Sep­tem­ber letz­ten Jah­res hat­ten ein merk­wür­di­ges Er­geb­nis. Vier Jah­re vor­her gab es die AfD noch nicht. Da­mals er­hiel­ten CDU, CSU, FDP zu­sam­men 20,9 Mil­lio­nen Stim­men. Wenn man die AfD die­sem La­ger zu­rech­net, sum­mie­ren sich die bür­ger­li­chen Stim­men auf 22,3 Mil­lio­nen. Oh­ne AfD hat­ten CDU, CSU und FDP im Sep­tem­ber zu­sam­men 20,2 Mil­lio­nen = 700 000 Stim­men we­ni­ger als 2009. Of­fen­bar ha­ben sie an die AfD ab­ge­ben müs­sen. De­ren 2 Mil­lio­nen Stim­men in­des sind ver­schütt, weil die AfD mit 4,7 Pro­zent nicht über die 5-Pro­zent-Hür­de ge­kom­men ist. Auch die 2 Mil­lio­nen Stim­men der FDP sind ver­lo­ren. Sie hat mit 4,8 % die­sel­be Hür­de ge­ris­sen. Pro­zen­tu­al fie­len auf CDU/CSU und FDP im Sep­tem­ber 2009 zu­sam­men 48,4 % al­ler Stim­men. Mit AfD wä­re das bür­ger­li­che La­ge am 22. Sep­tem­ber so­gar auf 51 % ge­kom­men. Aber Mer­kel ver­hun­ger­te oh­ne FDP und AfD auf ma­ge­ren 41,5 Pro­zent. Die 9,5 Pro­zent von FDP und AfD fehl­ten ihr. Sie wer­den durch die 5-Pro­zent­klau­sel un­wirk­sam. Bun­des­kanz­le­rin konn­te Mer­kel al­so nur mit Hil­fe der SPD und der Gro­ßen Ko­ali­ti­on blei­ben.

 

Die Al­ter­na­ti­ve für Deutsch­land hat ih­re 2 Mil­lio­nen Stim­men der Bun­des­tags­wahl auch bei der Eu­ro­pa­wahl wie­der mo­bi­li­sie­ren kön­nen und da­mit 7% er­reicht.

 

 

Wie sieht es in an­de­ren Län­dern mit fa­schis­ti­schen und rechts­po­pu­lis­ti­schen Par­tei­en aus?

 

Eng­land

Schon bei den Eu­ro­pa­wah­len im Ju­ni 2004 er­ziel­te die United King­dom In­de­pen­dence Par­ty (UKIP) 16,8 % der Wäh­ler­stim­men und 12 Sit­ze im Eu­ro­päi­schen Par­la­ment. Auch 2009 konn­te sie 16,5% er­rin­gen. Im Mai die­sen Jah­res in­des wur­den es 28 %. UKIP konn­te die Zahl ih­rer Sit­ze mehr als ver­dop­peln und wur­de stärks­te bri­ti­sche Par­tei.

 

Nie­der­lan­de

Am 6. Mai 2002 er­schoss Vol­kert van der Graaf, ein mi­li­tan­ter Ve­ga­ner und Tier­recht­ler auf dem Park­platz des staat­li­chen Rund­funks in Hil­ver­sum den ho­mo­se­xu­el­len So­zio­lo­gie­pro­fes­sor und Rechts­po­pu­lis­ten Pim For­tuyn. Der hat­te schon ei­ne merk­wür­di­ge Kar­rie­re hin­ter sich. An­geb­lich soll er so­gar mal den Kom­mu­nis­ten na­he ge­stan­den ha­ben, war Mit­glied der so­zi­al­de­mo­kra­ti­schen Pv­dA ge­we­sen. Dann schrieb er im li­be­ral-kon­ser­va­ti­ven Wo­chen­blatt El­se­vier kri­ti­sche Ko­lum­nen ge­gen die sei­ner­zei­ti­ge so­zi­al­li­be­ra­le Re­gie­rungs­ko­ali­ti­on. Au­ßer­dem ver­öf­fent­lich­te er Bü­cher mit dem Ti­tel »Die her­ren­lo­se Ge­sell­schaft« und 1997 »Ge­gen die Is­la­mi­sie­rung un­se­rer Kul­tur«. Am 20. Au­gust 2001 gab er be­kannt, dass er in die Po­li­tik ge­hen wol­le, gab ein Gast­spiel bei der Par­tei »le­bens­wer­te Nie­der­lan­de« und kan­di­dier­te schlie­ß­lich als Spit­zen­kan­di­dat ei­ner ei­ge­nen Lis­te für die Par­la­ments­wah­len am 15. Mai 2002. Neun Ta­ge vor die­sem Ter­min wur­de er er­schos­sen. Die Lis­te Pim For­tuyn ge­wann auf An­hieb 17 % der Sit­ze. Sie wur­de vom neu­en Mi­nis­ter­prä­si­den­ten Jan Pe­ter Bal­ke­nen­de in die Re­gie­rung auf­ge­nom­men. Die LPF-Par­la­men­ta­rie­rer wa­ren in­des so im­kom­pe­tent, dass ih­re Zer­strit­ten­heit schon nach 87 Ta­gen zum Sturz des Ka­bi­netts führ­te. Bei der Neu­wahl 2003 brach die Zu­stim­mung der Wäh­ler dras­tisch ein, die LPF ver­schwand bei den Par­la­ments­wah­len von 2006 gänz­lich aus dem Par­la­ment und lös­te sich we­nig spä­ter auf. An ih­re Stel­le trat die rechts­po­pu­lis­ti­sche Par­tij voor de Vri­jheid (PVV) un­ter Ge­ert Wil­ders. Sie warnt vor ei­ner »Is­la­mi­sie­rung« der Nie­der­lan­de und ruft of­fen zu deren Be­kämp­fung auf. Fer­ner will sie sich für ei­ne Be­gren­zung der Ein­wan­de­rung, für ein här­te­res Vor­ge­hen ge­gen Kri­mi­na­li­tät und ge­gen die Er­hö­hung des Ren­ten­ein­tritts­al­ters ein­set­zen. Sie er­hielt bei der Par­la­ments­wahl 2006 aus dem Stand her­aus 5,9 Pro­zent, 2010 stei­ger­te sie sich auf 15,5 Pro­zent, bei den Wah­len zum na­tio­na­len Par­la­ment fiel sie im ver­gan­ge­nen Jahr auf 10,1 Pro­zent zu­rück. Aber nach den Eu­ro­pa­wah­len ist sie mit 13,35 Pro­zent dritt­stärks­te Kraft und kann vier Ab­ge­ord­ne­te nach Straß­burg schi­cken.

 

Bel­gi­en

Vlaams Be­lang ist ei­ne rechts­po­pu­lis­ti­sche und se­pa­ra­tis­ti­sche Re­gio­nal­par­tei in Bel­gi­en mit be­son­ders en­gen Be­zie­hun­gen zu Pro Köln. Sie wur­de 2004 als Nach­fol­ge­or­ga­ni­sa­ti­on des Vlaams Blok (Flä­mi­scher Block) ge­grün­det. Sie er­reich­te bei den Flä­mi­schen Par­la­ments­wah­len 2004: 24,2 %, bei den bel­gi­schen Par­la­ments­wah­len 2007: 12,0 %, in Flan­dern 2009: 15,3 %, ganz Bel­gi­en 2010 7,7 %. Vlaams Be­lang tritt für die Un­ab­hän­gig­keit Flan­derns, ei­ne Be­schrän­kung der Zu­wan­de­rung und freie Markt­wirt­schaft ein. Wei­te­re Pro­gramm­punk­te sind: Hö­he­res Kin­der­geld, um El­tern ei­nen Er­zie­hungs­ur­laub zu er­mög­li­chen und die Ge­bur­ten­ra­te zu er­hö­hen, Um­stel­lung des Ren­ten­sys­tems auf ein Ka­pi­tal­de­ckungs­ver­fah­ren, kein EU-Bei­tritt der Tür­kei, Ein­füh­rung ei­ner Ein­heits­steu­er, Pri­va­ti­sie­rung von Staats­be­trie­ben. In Ant­wer­pen ha­ben sie 22 von 55 Sit­zen im Stadt­rat.

 

Bei den Eu­ro­pa­wah­len be­kam die Neu-Flä­mi­sche Al­li­anz 16,35 % der Stim­men und war da­mit die stärks­te der bel­gi­schen Par­tei­en.

 

Frank­reich

Der Front Na­tio­nal ist 1972 ge­grün­det wor­den. Er er­reich­te 17,9 % der Wäh­ler­stim­men bei den Prä­si­dent­schafts­wah­len 2012. An­lä­sslich der Prä­si­dent­schafts­wah­len 1995 for­der­te der da­ma­li­ge Par­tei­vor­sit­zen­de Jean-Ma­rie Le Pen die Rück­füh­rung von drei Mil­lio­nen Nicht-Eu­ro­pä­ern aus Frank­reich. Die Par­tei warnt vor ei­ner »Is­la­mi­sie­rung« des Lan­des. Der Bau wei­te­rer Mo­sche­en in Frank­reich soll ver­bo­ten wer­den. Sie for­dert das Ver­bot »sicht­ba­rer re­li­giö­ser Sym­bo­le« wie et­wa des Kopf­tuchs in der Öf­fent­lich­keit. Seit 16. Ja­nu­ar 2011 ist Ma­ri­ne Le Pen Par­tei­vor­sit­zen­de als ge­wähl­te Nach­fol­ge­rin ih­res Va­ters. Der FN kam als stärks­te fran­zö­si­sche Par­tei auf 25% und 24 Sit­ze.

 

Schweiz

Die SVP war ur­sprüng­lich ei­ne rechts­bür­ger­lich-kon­ser­va­ti­ve Bau­ern­par­tei. Seit den 80er Jah­ren strebt sie un­ter der Füh­rung des Zü­ri­cher Un­ter­neh­mers Chris­toph Blo­cher nach rechts. Sie ist seit den Schwei­zer Par­la­ments­wah­len 2003 die stärks­te Par­tei mit 26,8 % der Wäh­ler­stim­men, noch vor den So­zi­al­de­mo­kra­ten mit 23,3%. 2007 be­kam sie 29%, die So­zi­al­de­mo­kra­ten nur noch 19,6%. Sie er­hielt 62 (vor­her 55) von 200 Sit­zen im Na­tio­nal­rat. Kenn­zeich­nend ist ihr Wahl­pla­kat vom Ok­to­ber 2007 Es zeigt ei­ne ro­te Flä­che mit wei­ßem Kreuz, dar­auf ste­hen drei wei­ße Scha­fe, wo­von ei­nes mit sei­nen Hin­ter­bei­nen ein wei­te­res, schwar­zes Schaf aus der ro­ten Flä­che her­aus­stö­ßt. Un­ten rechts ist dem Mo­tiv der Text »Si­cher­heit schaf­fen« so­wie das Lo­go der SVP bei­ge­fügt. Das Pla­kat ge­fiel der hes­si­schen NPD so gut, dass sie es im Land­tags­wahl­kampf Ja­nu­ar 2008 ver­wand­te.

 

Die SVP hat die Volks­in­itia­ti­ve »Ge­gen Mas­sen­ein­wan­de­rung« vom Fe­bru­ar die­sen Jah­res in­iti­iert. Und tat­säch­lich ha­ben die Schwei­ze­rin­nen und Schwei­zer bei die­ser Volks­ab­stim­mung mit knap­per Mehr­heit für ei­ne Be­gren­zung der Zu­wan­de­rung ge­stimmt. Die AfD pla­ka­tier­te jetzt: »Die Schweiz ist für Volks­ent­schei­de. Wir auch.« Aber auch die NPD woll­te sich am Schwei­zer Er­folg ori­en­tie­ren. Ih­re Pla­kat­lo­sung hieß: »Vor­bild Schweiz. Mas­sen­ein­wan­de­rung stop­pen.«

 

Österreich

Die deutsch­na­tio­na­le FPÖ wur­de un­ter Jörg Hai­der bei den Na­tio­nal­rats­wah­len 1999 mit 26,9% zweit­stärks­te Par­tei in Ös­ter­reich. Ty­pi­sche Pla­kat­lo­sun­gen wa­ren »Wien darf nicht Is­tan­bul wer­den« oder »Deutsch statt nix ver­steh‹n«. Die Par­tei war zwi­schen­zeit­lich ge­spal­ten in BZÖ und FPÖ, ist aber seit 2006 wie­der ei­nig, bzw. ih­re Ab­spal­tun­gen spie­len kei­ne Rol­le mehr. Bei den vor­ge­zo­ge­nen Na­tio­nal­rats­wah­len 2008 konn­te die FPÖ ih­ren Stim­men­an­teil auf 17,5% er­hö­hen. Bei der Wie­ner Land­tags- und Ge­mein­de­rats­wahl 2010 er­hielt die FPÖ 25,77 % der ab­ge­ge­be­nen Stim­men und wur­de so­mit zur zweit­stärks­ten Par­tei. Spit­zen­kan­di­dat war Heinz-Chris­ti­an Stra­che, auch ein Freund von Pro Köln. Bei den Na­tio­nal­rats­wah­len am 29. Sep­tem­ber 2013 er­hielt die FPÖ 20,51%, 3% mehr als vor­her, 40 Sit­ze von 183. In der Stei­er­mark ge­wan­nen sie üb­ri­gens 24% der Stim­men. Bei den Eu­ro­pa­wah­len blieb sie knapp un­ter 20% und kann vier Sit­ze im Eu­ro­pa­par­la­ment be­set­zen.

 

Un­garn

Seit den Par­la­ments­wah­len im April 2010 ver­fügt das rech­te Wahl­bünd­nis aus Fi­desz (53%) und KD­NP mit 263 der 386 Man­da­ten mehr als die ver­fas­sungs­än­dern­de Zwei­drit­tel­mehr­heit. Die So­zia­lis­ten von der MSZP lan­de­ten weit ab­ge­schla­gen auf Platz zwei vor den Fa­schis­ten von Job­bik (Be­we­gung für ein bes­se­res Un­garn). Die er­hiel­ten mit 16,7 % der Stim­men 47 der ins­ge­samt 386 Par­la­ments­sit­ze. Job­bik be­kam bei den Wah­len zum Eu­ro­pa­par­la­ment 14,8 % bei ei­ner Ge­samt­wahl­be­tei­li­gung von 36 % der Stim­men und da­mit 3 Sit­ze im Eu­ro­pa­par­la­ment. Die Lis­te wur­de von der of­fen an­ti­se­mi­tisch ori­en­tier­ten Krisz­ti­na Mor­vai an­ge­führt. Job­bik knüpft in Rhe­to­rik, Sym­bo­lik und Selbst­dar­stel­lung an die na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Pfeil­kreuz­ler an, die in Un­garn wäh­rend der Be­sat­zung durch Na­zi-Deutsch­land zwi­schen 1944 und 1945 wü­te­ten. So be­kämpft Job­bik Sin­ti und Ro­ma, Ho­mo­se­xu­el­le und pro­pa­giert den Kampf ge­gen »jü­di­sches Ka­pi­tal«. Seit dem 29. Mai 2010 hei­ßt der Mi­nis­ter­prä­si­dent Vik­tor Or­bán. Am 18. April 2011 wur­de mit den Stim­men der FI­DESZ die zum 1. Ja­nu­ar 2012 in Kraft ge­tre­te­ne neue Ver­fas­sung ver­ab­schie­det, das Grund­ge­setz Un­garns. Als Grund­la­gen der Na­ti­on be­kennt sich das Grund­ge­setz in sei­ner Prä­am­bel un­ter an­de­rem zu Gott, Kro­ne (Ste­phan­s­kro­ne) und Va­ter­land, Chris­ten­tum, Fa­mi­lie und Na­tio­nal­stolz. Fi­desz be­kam bei den Eu­ro­pa­wah­len 51,5%, Job­bik 14,7% (3 Sit­ze von 21), Wahl­be­tei­li­gung in Un­garn 29%.

 

Ita­li­en

Die Al­le­an­za Na­zio­na­le (AN) ging 1995 aus dem neo­fa­schis­ti­schen Movimen­to So­cia­le Ita­lia­no (MSI) her­vor. 2009 schloss sie sich dem Par­tei­bünd­nis Po­po­lo del­la Li­ber­tà an. Die Um­grün­dung war ein Fas­sa­den­wech­sel. Der Par­tei­na­me, die Sym­bo­le und die Rhe­to­rik wur­den aus­ge­tauscht. Das al­te Par­tei­sym­bol, die Flam­me mit den Far­ben der ita­lie­ni­schen Flag­ge und der Un­ter­schrift MSI wur­den in­des in das neue Par­tei­lo­go ein­ge­ar­bei­tet. 95 Pro­zent der AN-Ab­ge­ord­ne­ten wa­ren schon vor­her Teil der MSI-Frak­ti­on. Bei al­len Wah­len auf na­tio­na­ler Ebe­ne er­hielt die Par­tei über 10% der Stim­men. Bei den ita­lie­ni­schen Par­la­ments­wah­len am 9. und 10. April 2006 wa­ren es 12,3%. Ihr bes­tes Wahl­er­geb­nis er­ziel­te sie 1996, als die Par­tei auf 15,7% der Stim­men kam.

 

Auf Kom­mu­nal­ebe­ne war die Al­li­anz eben­falls er­folg­reich, vor al­lem im Zen­trum und Sü­den des Lan­des. Der Bür­ger­meis­ter von Rom, Gi­an­ni Ale­man­no, war Mit­glied der fa­schis­ti­schen AN. Gi­an­fran­co Fi­ni ihr Vor­sit­zen­der. Nach dem April 2008 war die AN mit 90 Ab­ge­ord­ne­ten Teil der PDL-Frak­ti­on und stell­te mit ihr die Re­gie­rung. Fi­ni be­klei­de­te das Amt des Prä­si­den­ten der Ab­ge­ord­ne­ten­kam­mer, das dritt­höchs­te im Staa­te. Am 22. März 2009 wur­de die Par­tei auf­ge­löst und ging ei­ne Wo­che spä­ter an­geb­lich im Po­po­lo del­la Li­ber­tà (PDL) auf. Sämt­li­che Mit­glie­der der Al­le­an­za Na­zio­na­le sind dem PDL bei­ge­tre­ten. Nach ei­nem Streit mit Ber­lus­co­ni grün­de­te Fi­ni 2010 die Par­tei Fu­turo e Li­ber­tà und un­ter­stütz­te bei den Par­la­ments­wah­len im Fe­bru­ar 2013 die Kan­di­da­tur von Ma­rio Mon­ti. Knapp ver­fehl­te er mit sei­ner Par­tei den Ein­zug in die Ab­ge­ord­ne­ten­kam­mer. Seit­dem ist er nicht mehr im Par­la­ment ver­tre­ten. Bei den Eu­ro­pa­wah­len be­kam Ber­lus­co­nis For­za Ita­lia 16,1%, die Le­ga Nord 6,2% (fünf Sit­ze). Zu­sam­men 18.

 

Dä­ne­mark

Die rechts­po­pu­lis­ti­sche Dansk Fol­ke­par­ti ist bei den Eu­ro­pa­wah­len mit 23% der Stim­men stärks­te Kraft des Lan­des ge­wor­den.

 

Im Eu­ro­päi­schen Par­la­ment or­ga­ni­sie­ren sich die meis­ten der ge­nann­ten Rechts­par­tei­en in der Frak­ti­on »Eu­ro­pa der Frei­heit und De­mo­kra­tie«. Der Al­ter­na­ti­ve für Deutsch­land in­des ist vor ei­ni­gen Ta­gen die Auf­nah­me ih­rer sie­ben Ab­ge­ord­ne­ten in die »Frak­ti­on der Eu­ro­päi­schen Kon­ser­va­ti­ven und Re­for­mis­ten« ge­lun­gen, in der sich un­ter an­de­rem die bri­ti­schen Kon­ser­va­ti­ven or­ga­ni­sie­ren und 25 von den bis­her 55 Ab­ge­ord­ne­ten stel­len.

 

Nor­we­gen

Die Frems­kritts­par­ti­et (Fort­schritts­par­tei), ehe­ma­li­ge Par­tei Brei­viks, er­reich­te bei den Wah­len zum Stor­ting 2009 22,9% der Stim­men, da­mit 41 Sit­ze. Sie war nach den So­zi­al­de­mo­kra­ten die zweit­stärks­te Par­tei. 2013 er­reich­te sie nur 16,3% der Stim­men. Aber zu­sam­men mit der Par­tei Høy­re (»Rech­te«) kann sie seit dem 16. Ok­to­ber 2013 die Re­gie­rung bil­den.

 

 

Fa­schis­ten ma­chen die Drecks­ar­beit

Das The­ma Ukrai­ne wä­re ei­ner be­son­de­ren Be­hand­lung wert. Es ist ge­wis­ser­ma­ßen ty­pisch, dass Fa­schis­ten die Drecks­ar­beit ma­chen bei der Nie­der­hal­tung der Op­po­si­ti­on. Die Re­gie­rung setzt auf die­se Wei­se die neo­li­be­ra­len Vor­ga­ben des EU-As­so­zia­ti­ons­ab­kom­mens durch.

 

Die Lis­te der ge­nann­ten Staa­ten in Eu­ro­pa ist nicht voll­stän­dig. Die viel­leicht et­was im­pres­sio­nis­ti­sche Be­schrei­bung der Si­tua­ti­on in Eu­ro­pa ent­hält ei­ni­ge aber ty­pi­sche Merk­ma­le. Al­le­mal kon­tras­tiert sie mit der La­ge in un­se­rem Land, wo Fa­schis­ten oder so­ge­nann­te Rechts­po­pu­lis­ten bis­her nur we­nig par­la­men­ta­ri­sche Re­prä­sen­tanz ha­ben er­rei­chen kön­nen. Das ist auf­fäl­lig.

 

Aus dem Blick­win­kel der Herr­schen­den er­for­dert die Ent­wick­lung der Kri­se in­des po­li­ti­sche Vor­aus­set­zun­gen für au­to­ri­tä­re Lö­sun­gen. Erst recht, wenn plötz­li­che Zu­spit­zun­gen nicht aus­zu­schlie­ßen sind.

 

Die Ge­heim­diens­te ha­ben die Über­wa­chungs­maß­nah­men aus­ge­baut. BND, po­li­zei­li­cher Staats­schutz und Ver­fas­sungs­schutz ar­bei­ten nicht nur den eng­li­schen, fran­zö­si­schen und ins­be­son­de­re den ame­ri­ka­ni­schen Ge­heim­diens­ten zu, son­dern rich­ten selbst­ver­ständ­lich zu na­tio­na­len Zwe­cken ei­ge­ne Da­ten­ban­ken ein, um die Be­völ­ke­rung zu kon­trol­lie­ren.

 

Der NSU-Skan­dal ent­hüllt im­mer mehr von der struk­tu­rel­len Zu­sam­men­ar­beit von Neo­fa­schis­ten mit den Ge­heim­diens­ten.

 

Die herr­schen­de Klas­se be­rei­tet sich mi­li­tä­risch auf Re­vol­ten vor. Der Ein­satz der Bun­des­wehr im In­ne­ren wird er­mög­licht. Ent­spre­chen­de Übun­gen von Po­li­zei und Bun­des­wehr fin­den statt. Es gibt das ge­mein­sa­me Ter­ror-Ab­wehr-Zen­trum (GTAZ) in Ber­lin-Trep­tow. Wir ha­ben die Vor­ga­ben für ei­ne Zi­vil-Mi­li­tä­ri­sche Zu­sam­men­ar­beit in den Städ­ten und Ge­mein­den (ZMZ). Und es gel­ten die Not­stands­ge­set­ze. In­so­weit ste­hen Be­din­gun­gen von Sei­ten der Be­hör­den und des Staats­ap­pa­ra­tes schon län­ger pa­rat.

 

Aber für den Fall, dass un­ser Herr­schafts­sys­tem in ein au­to­ri­tä­res Re­gime trans­for­miert wer­den soll, sind wei­te­re po­li­ti­sche Vor­aus­set­zun­gen fäl­lig. Das war die klas­si­sche Auf­ga­be des Fa­schis­mus. Es geht um das Nie­der­hal­ten von de­mo­kra­ti­schen Be­we­gun­gen, Frie­dens­ak­tio­nen, von so­zia­len Un­ru­hen. Der Kern die­ses Kur­ses ist die Ent­wer­tung der Ar­beit und die Des­or­ga­ni­sie­rung und Mar­gi­na­li­sie­rung der Ar­bei­ter­be­we­gung.

 

Da muss es be­stimm­te Frak­tio­nen un­se­rer herr­schen­den Klas­se ju­cken, wenn über­all in Eu­ro­pa Rechts­po­pu­lis­ten un­ge­hin­dert ihr ras­sis­ti­sches, frem­den­feind­li­ches Un­we­sen trei­ben kön­nen, aber hier im Kern­land des im­pe­ria­lis­ti­schen Eu­ro­pa die Fa­schis­ten im­mer wie­der zu­rück­ge­drängt wer­den. Und in der Tat, hier gibt es ei­ne star­ke an­ti­fa­schis­ti­sche Be­we­gung, die weit über die Kom­mu­nis­ten, auch über die Lin­ke selbst hin­aus­reicht. Ihr ist in der Haupt­sa­che zu ver­dan­ken, dass die ex­tre­me Rech­te bis­her in Deutsch­land noch nicht wie­der un­ge­hin­dert wal­ten kann.

 

Aber an die­ser Stel­le möch­te ich die Auf­merk­sam­keit auf die Un­ter­schie­de len­ken. Alex­an­der Häus­ler be­wer­tet sie fol­gen­der­ma­ßen:

»[…] bei der NPD han­delt es sich um ei­ne neo­na­zis­ti­sche Par­tei mit ei­ner völ­kisch-ras­sis­tisch und na­tio­nal­re­vo­lu­tio­när aus­ge­präg­ten Ori­en­tie­rung, die sich selbst in Op­po­si­ti­on zu neo­li­be­ra­len Po­li­tik­an­sät­zen ver­or­tet. Vie­le rechts­po­pu­lis­ti­sche Par­tei­en in Eu­ro­pa hin­ge­gen ent­stan­den im Kon­text mark­t­ra­di­ka­ler Op­po­si­ti­on zu keyne­sia­nis­tisch-wohl­fahrts­staat­lich aus­ge­präg­ten Po­li­tik­an­sät­zen. Ei­ne sol­che mark­t­ra­di­ka­le Ori­en­tie­rung, ein­her­ge­hend mit na­tio­nal­kon­ser­va­ti­ven Po­li­tik­vor­stel­lun­gen, prägt in deut­li­cher Aus­prä­gung die Welt­an­schau­un­gen des po­li­ti­schen AfD-Mi­lieus. Die­se po­li­ti­sche Me­lan­ge wird un­ter­füt­tert mit Vor­stel­lun­gen von ›di­rek­ter De­mo­kra­tie‹ – so der Wort­laut im Par­tei­pro­gramm – die deut­li­che Schnitt­men­gen mit rechts­po­pu­lis­ti­schen Po­li­tik­an­sät­zen auf­wei­sen. So wird im er­wähn­ten Ab­schnitt im AfD-Par­tei­pro­gramm zu­gleich die For­de­rung nach ›Volks­ab­stim­mun­gen und -in­itia­ti­ven nach Schwei­zer Vor­bild‹ er­ho­ben und in po­pu­lis­ti­schem Duk­tus ge­for­dert: ›Das Volk soll den Wil­len der Par­tei­en be­stim­men, nicht um­ge­kehrt.‹ Ei­ne der­ar­ti­ge pau­scha­le Ge­gen­über­set­zung ei­ne po­li­tisch an­geb­lich ho­mo­ge­nen ›Volks­wil­lens‹ und ei­ner an­geb­lich ›ab­ge­ho­be­nen Po­li­tik­kas­te‹, als de­ren ›Al­ter­na­ti­ve‹ man sich selbst sti­li­siert, prägt das po­li­ti­sche Grund­mus­ter rechts­po­pu­lis­ti­scher Rhe­to­rik.«

Aus­drück­lich greift der Rechts­po­pu­lis­mus dem­ago­gisch de­mo­kra­ti­sche Er­run­gen­schaf­ten auf, ar­gu­men­tiert mit Frei­heits- und Men­schen­rech­ten, al­ler­dings ex­klu­siv, al­so Zu­ge­wan­der­te, Flücht­lin­ge und Frem­de aus­schlie­ßend.

 

Wie den Fa­schis­ten geht es den Rechts­po­pu­lis­ten zwar um na­tio­na­le Iden­ti­tät, die aber mehr mit­tel­stands­ori­en­tiert kul­tu­ra­lis­tisch und klein­bür­ger­lich ver­stan­den wird, we­ni­ger of­fen ras­sis­tisch. Die all­zu deut­li­chen, an­tih­u­ma­nen Na­zi­merk­ma­le wer­den un­ter­lau­fen.

 

In­so­fern war die Grün­dung der Par­tei »Al­ter­na­ti­ve für Deutsch­land« fäl­lig. Sie ist von star­ken ge­sell­schaft­li­chen Kräf­ten in un­se­rem Lan­de be­trie­ben wor­den.

 

Die AfD wur­de am 6. Fe­bru­ar 2013 aus der Tau­fe ge­ho­ben. Sie konn­te an ei­ne gan­ze Rei­he von ähn­li­chen Ver­su­chen an­knüp­fen, ver­fehl­te aber am 22. Sep­tem­ber mit 4,7% (mehr als 2 Mil­lio­nen Stim­men) nur knapp den Ein­zug in den Bun­des­tag. Sie knüpf­te an die star­ke po­li­ti­sche Be­un­ru­hi­gung in­fol­ge der Fi­nanz- und Ban­ken­kri­se an und for­dert ei­ne Auf­lö­sung des Eu­ro-Wäh­rungs­ge­bie­tes. Sie will die Wie­der­ein­füh­rung na­tio­na­ler Wäh­run­gen oder die Schaf­fung klei­ne­rer und sta­bi­le­rer Wäh­rungs­ver­bün­de. Die Wie­der­ein­füh­rung der DM dür­fe kein Ta­bu sein. Die AfD will das deut­sche Ve­to ge­gen wei­te­re Hilfs­kre­di­te des ESM. Ban­ken, Hedge-Fonds und pri­va­te Gro­ß­an­le­ger sei­en die Nutz­nie­ßer die­ser Po­li­tik. Über­schul­de­te Staa­ten sol­len durch ei­nen Schul­den­schnitt ent­schul­det wer­den.

 

Die EZB soll kei­ne Schrott­pa­pie­re mehr an­kau­fen. In­fla­ti­on dür­fe nicht die Er­spar­nis­se der Bür­ger auf­zeh­ren (wahr­schein­lich ak­tu­ell: und De­fla­ti­on nicht die Zin­sen der klei­nen Spa­rer).

 

Ihr seht, im Wahl­pro­gramm der AfD steckt je­de Men­ge Täu­schungs­po­ten­ti­al.

 

Die Pla­kat­lo­sung da­zu hieß »Si­che­re Wäh­rung statt Zeit­bom­ben.« Bei der NPD hieß es: »Ret­tet uns vor der EU-Plei­te«

 

Hans-Olaf Hen­kel ver­sprach, dass das Ta­bu der Dis­kus­si­on über Al­ter­na­ti­ven zum Eu­ro kei­nen Be­stand ha­ben wer­de. Hen­kel war von 1995 bis 2000 Prä­si­dent des Bun­des­ver­ban­des der Deut­schen In­dus­trie (BDI). Von ihm stammt die Idee des dop­pel­ten Eu­ro: Die »Club-Med-Län­der« wie Grie­chen­land, Ita­li­en und Frank­reich sol­len den »Süd-Eu­ro« ha­ben, die Nord­län­der wie Deutsch­land, die Be­ne­lux­staa­ten und Skan­di­na­vi­en den »Nord-Eu­ro«. Die Län­der im Sü­den Eu­ro­pas könn­ten sich mit­tels In­fla­ti­on wie­der ins öko­no­mi­sche Spiel brin­gen.

 

In­ter­es­sant und si­cher­lich dis­kus­si­ons­be­dürf­tig ist die Tat­sa­che, dass Hen­kel auch zu den­je­ni­gen ge­hör­te, die sich im Som­mer 2012 ge­gen den ESM ge­wandt hat­ten. Ihm na­he­ste­hen­de Kräf­te, nicht nur Gy­si, klag­ten ge­gen den ESM beim Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt. Die Fra­ge ist, ob wir es hier mit tat­säch­li­chen In­ter­es­sen­wi­der­sprü­chen zwi­schen In­dus­trie und Fi­nanz­ka­pi­tal zu tun ha­ben, die ab­ge­ar­bei­tet sein wol­len, oder ob der­ar­ti­ge Dif­fe­ren­zen als dem­ago­gi­sches Po­ten­ti­al ge­nutzt wer­den.

 

An­dre­as Kem­per weist dar­auf hin, dass sich in der AfD ein Zu­sam­men­schluss ver­schie­de­ner Netz­wer­ke bün­de­le. Da wä­ren zum ei­nen rei­che Fa­mi­li­en­un­ter­neh­me­rin­nen und Un­ter­neh­mer, die sich durch CDU und FDP nicht aus­rei­chend ver­tre­ten se­hen, mark­t­ra­di­ka­le Volks­wirt­schafts­pro­fes­so­ren, der Bür­ger­zu­sam­men­schluss Zi­vi­le Ko­ali­ti­on und die Lob­by­or­ga­ni­sa­ti­on Bür­ger­Kon­vent. Da­zu ge­sellt sich ei­ne brei­te Mas­se an Bür­ge­rin­nen und Bür­gern, die sich in ih­rer ge­sell­schaft­li­chen Aus­rich­tung am rech­ten Rand be­we­gen und oh­ne wei­te­res als Sar­ra­zin-Fans be­zeich­net wer­den kön­nen. Dies zu­sam­men­ge­nom­men bil­de die Ba­sis der AfD. Die­se Ba­sis wünscht Um­struk­tu­rie­run­gen des be­ste­hen­den Sys­tems, bei der so­zi­al schwä­che­re Schich­ten mög­lichst we­nig Ein­fluss ha­ben sol­len. Die so­ge­nann­te »Un­ter­schicht« wird als Kos­ten­fak­tor wahr­ge­nom­men.

 

Zi­tat Bernd Lu­cke über Men­schen, die oh­ne Deutsch­kennt­nis­se und Bil­dung nach Deutsch­land kä­men und nun Hartz IV be­zie­hen müss­ten: »Dann bil­den sie ei­ne Art so­zia­len Bo­den­satz – ei­nen Bo­den­satz, der le­bens­lang in un­se­ren So­zi­al­sys­te­men ver­harrt.« Und auf Nach­fra­ge: »Was stört Sie dar­an? Tech­nisch ge­se­hen ist Bo­den­satz das, was sich nach un­ten ab­setzt und nicht wie­der hoch­kommt.« Pla­ka­te im Bun­des­tags­wahl­kampf lau­te­ten: »Ein­wan­de­rung braucht strik­te Re­geln« »Ein­wan­de­rung ja. Aber nicht in un­se­re So­zi­al­sys­te­me«, »Wer ein­wan­dert, darf uns nicht has­sen«.

 

Vor dem Hin­ter­grund von deut­li­chen ras­sis­ti­schen Res­sen­ti­ments und der Ab­wer­tung so­zi­al Be­nach­tei­lig­ter er­strebt die AfD Kür­zun­gen von staat­li­chen So­zi­al­leis­tun­gen, gleich­zei­tig will sie mehr steu­er­li­che För­de­rung von Bes­ser­ver­die­nen­den.

 

Kem­per spricht von ei­nem »Hart­geld-Es­sen­tia­lis­mus« der Eu­ro-Kri­ti­ker, die Geld be­griff­lich aus sei­nen his­to­ri­schen und ge­sell­schaft­li­chen Be­zü­gen lö­sen. Ganz ty­pisch ist der Gold-Fe­ti­schis­mus für sie.

 

Prof. Dr. Bernd Lu­cke ist Spre­cher der AfD. Zu­sam­men mit Mi­cha­el Fun­ke und Tho­mas Straub­haar hat­te er den »Ham­bur­ger Ap­pell« in­iti­iert und ihn am 30. Ju­ni 2005, pünkt­lich zur sei­ner­zei­ti­gen Bun­des­tags­wahl, in der Ta­ges­zei­tung Die WELT ver­öf­fent­li­chen las­sen. Die Kos­ten trug die In­itia­ti­ve Neue So­zia­le Markt­wirt­schaft. Es han­del­te sich sei­ner­zeit um ei­ne Re­ak­ti­on auf Äu­ße­run­gen aus der Bun­des­re­gie­rung. Es ging um ei­nen Vor­schlag von Lohn­er­hö­hun­gen zur Stei­ge­rung der ge­samt­wirt­schaft­li­chen Nach­fra­ge. Im »Ham­bur­ger Ap­pell« pos­tu­lier­ten 253 neo­li­be­ra­le Öko­no­mie-Pro­fes­so­ren da­ge­gen: »dass ei­ne Ver­bes­se­rung der Ar­beits­markt­la­ge nur durch nied­ri­ge­re Ent­loh­nung der oh­ne­hin schon Ge­ring­ver­die­nen­den, al­so durch ei­ne ver­stärk­te Lohn­s­prei­zung, mög­lich sein wird. Ei­ne Ab­fe­de­rung die­ser Ent­wick­lung ist durch ver­län­ger­te Ar­beits­zei­ten, ver­min­der­ten Ur­laubs­an­spruch oder hö­he­re Leis­tungs­be­reit­schaft mög­lich.«

 

Zu den da­ma­li­gen Un­ter­zeich­nern ge­hö­ren die pro­mi­nen­ten AfDler Alex­an­der Dil­ger (spä­ter zeit­wei­lig Lan­des­spre­cher NRW), Jörn Kru­se (Lan­des­spre­cher Ham­burg), Joa­chim Star­bat­ty, Ro­land Vau­bel, Dirk Mey­er. Sie bil­den zu­sam­men mit Hel­ga Lu­cken­bach den wis­sen­schaft­li­chen Bei­rat der Par­tei.

 

Zahl­rei­che Fä­den ver­knüpft das Per­so­nal die­ser Par­tei aber auch mit der In­itia­ti­ve Neue So­zia­le Markt­wirt­schaft. Die­se »In­itia­ti­ve« ist ei­ne Lob­by-Or­ga­ni­sa­ti­on der Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie. Al­lein­ge­sell­schaf­ter der INSM GmbH, zu­stän­dig für das ope­ra­ti­ve Ge­schäft, ist das In­sti­tut der deut­schen Wirt­schaft. Der Fi­nanz­rah­men, den Ge­samt­me­tall zur Ver­fü­gung stellt, be­läuft sich bis zu 10 Mio Eu­ro im Jahr. Auch Hans-Olaf Hen­kel hat Geld lo­cker ge­macht.

 

Bea­trix von Storch, ge­bo­re­ne Her­zo­gin von Ol­den­burg, grün­de­te als Stu­den­tin 1996 den Göt­tin­ger Kreis, der sich für die Wie­der­gut­ma­chung von Ver­mö­gens­ein­bu­ßen ein­setzt, die der Adel durch die Bo­den­re­form in Deutsch­land er­lei­den muss­te. Sie war auf der Ber­li­ner Lan­des­lis­te als Nr. 2 plat­ziert und be­treibt (in der zu­rück­hal­ten­den Aus­drucks­wei­se des Han­dels­blatts vom 28. Ju­ni 2013) »die Rück­füh­rung des Staa­tes auf Kern­kom­pe­ten­zen und den Ab­bau von So­zi­al­leis­tun­gen zu­guns­ten pri­va­ter Vor­sor­ge«.

 

Kon­rad Adam, wei­te­rer Spre­cher der AfD, pro­ble­ma­ti­sier­te am 16. Ok­to­ber 2006 in der WELT das Wahl­recht von Ar­beits­lo­sen und Rent­nern: »Vor die­sem Hin­ter­grund klingt die An­re­gung, den In­ak­ti­ven und Ver­sor­gungs­emp­fän­gern das Wahl­recht ab­zu­er­ken­nen, pro­vo­ka­ti­ver, als sie tat­säch­lich ist. Die Fä­hig­keit, sich selbst und den Sei­nen den Le­bens­un­ter­halt zu ver­die­nen, galt in der Theo­rie der eu­ro­päi­schen Ver­fas­sungs­be­we­gung als ei­ne selbst­ver­ständ­li­che Vor­aus­set­zung für die Ge­wäh­rung des Wahl­rechts. Nicht ›Frei­heit, Gleich­heit, Brü­der­lich­keit‹ hieß die Pa­ro­le in den Ver­fas­sungs­tex­ten, die wäh­rend der fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on in kur­zem Ab­stand auf­ein­an­der folg­ten, son­dern ›Frei­heit, Gleich­heit, Ei­gen­tum und Si­cher­heit‹. Der Grund ist klar: Nur der Be­sitz schien ei­ne Ga­ran­tie da­für zu bie­ten, dass man vom Wahl­recht ver­ant­wort­lich Ge­brauch mach­te.«

 

Ro­land Vau­bel fiel schon durch an­ti­de­mo­kra­ti­sche All­machts­phan­ta­si­en auf, als er fol­gen­de Ver­fas­sungs­än­de­rung vor­schlug: »[man kann] die Leis­tungs­eli­ten aber auch da­durch schüt­zen, dass man ein Zwei-Kam­mer-Sys­tem ein­führt und die­je­ni­gen, die die Haupt­last der (di­rek­ten) Be­steue­rung tra­gen, ei­ne der bei­den Kam­mern wäh­len lässt. Bei al­len Fi­nan­zie­rungs- und Aus­ga­ben­ent­schei­dun­gen müs­sen dann bei­de Kam­mern zu­stim­men, wird ein Kon­sens von Arm und Reich er­for­der­lich.« (Wirt­schaft­li­che Frei­heit, 1. Fe­bru­ar 2007)

 

Alex­an­der Gau­land war ab 1977 Bü­ro­lei­ter des Frank­fur­ter Ober­bür­ger­meis­ters Wal­ter Wall­mann. Als sein Chef 1987 hes­si­scher Mi­nis­ter­prä­si­dent wur­de, stieg er zum Staats­se­kre­tär in der hes­si­schen Staats­kanz­lei auf. Seit dem Grün­dungs­par­tei­tag am 14. April 2013 ist Gau­land ist ei­ner der drei stell­ver­tre­ten­den Spre­cher der AfD.

 

»Dif­fu­ser Pa­zi­fis­mus. War­um sich die Deut­schen mit Ge­walt so schwer tun« war ein Ar­ti­kel des Ber­li­ner Ta­ges­spie­gel vom 23. Ju­li 2012 über­ge­ti­telt. Gau­land schrieb: »Die Deut­schen ha­ben ein ge­stör­tes Ver­hält­nis zur mi­li­tä­ri­schen Ge­walt. Sie be­trach­ten sie nicht als die Fort­set­zung der Po­li­tik mit an­de­ren Mit­teln im Sin­ne von Clau­se­witz, son­dern als das schlecht­hin Bö­se und Fal­sche, als ein Mit­tel, aus dem nie und un­ter kei­nen Um­stän­den Brauch­ba­res ent­ste­hen kön­ne.«

 

Und et­was wei­ter: »…das sy­ri­sche Di­lem­ma des Wes­tens führt wie­der ein­drück­lich vor Au­gen, wie ge­ring das Ver­ständ­nis für Ge­walt­an­wen­dung in die­sem Lan­de ist.«

 

Klaus Stein, 16. Juni 2014

 

 


Wirt­schaft­li­che Frei­heit, 1. Fe­bru­ar 2007