Umwelt

Aber wenn die Pipeline nun ein Loch hat…

Baustelle CO-Pipeline.

Heftige Kritik an Behörden­aufsicht und den TÜV-Aktivitäten

Die Anfrage der Initiativen »Stopp Bayer-CO-Pipeline!« an die Kölner und Düsseldorfer Bezirksregierung, an das NRW-Umweltministerien, an den TÜV ist scharf und zeigt Ungeduld: »Wann endlich reagieren Sie adäquat auf Gefährdungen für Mensch und Umwelt durch nicht vertretbare Genehmigungen zu Hochrisiko-Anlagen wie die defekte Naphtha-Leitung und die noch viel gefährlichere CO-Pipeline?« Hinter der Kritik an der Genehmigungspraxis stehen 110.000 Menschen mit ihrer Unterschrift und zehn Städte mit 1,5 Millionen Einwohnern, die entsprechende Beschlüsse gefasst haben.

In dieser Zählung tauchen Köln und Dormagen noch nicht einmal auf. Die Koordination der Pipeline-Gegner bezieht sich bislang »nur« auf Monheim, Hilden, Langenfeld, Erkrath, Ratingen, Solingen und Düsseldorf.

Anlass für die aktuelle Kritik war eine erneute Pipeline-Leckage bei der Firma LyondellBasell in Köln-Godorf: Am 23. April wurde an einer Grundwassermessstelle auf dem Gelände der »Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK)« vom TÜV Süd eine 70 cm mächtige Kohlenwasserstoff-Phase im Grundwasser gemessen. Bei dem Kohlenwasserstoff handelt es sich um Naphtha (Rohbenzin). Die Meldung des Weltunternehmens erreichte die Stadt Köln, die Bezirksregierung Köln und die Kölner Hafenbetriebe am 24. April. Das NRW-Umweltministerium erfuhr davon mit Verspätung – aus der Tagespresse – am 7. Mai. Ein Umweltalarm gemäß der eingeführten Umweltalarmrichtlinie wurde nicht ausgelöst.

LyondellBasell räumt ein, dass Naphtha »durch die Behörden als gesundheitsschädlich eingestuft« wird. Trinkwasser, so das Unternehmen, sei aber »nach derzeitiger Faktenlage« nicht gefährdet. – Nach der CLP-Verordnung zur Bewertung von Chemie-Produkten wird Naphtha allerdings als »krebserzeugend« (EG-Nr. 1272/2008) eingestuft. Das Unternehmen »bedauert« den »Stoffaustritt« und erklärt, dass man »die zuständigen Behörden bei den Untersuchungen vollständig unterstützen« werde. Übrigens hat LyondellBasell ein Wasserrecht auf Förderung von 30 Millionen Kubikmeter Wasser zu Produktionszwecken.

Der aktuelle Unfall hat eine Vorgeschichte: Die Pipeline wurde 1958 gebaut und 1959 in Betrieb genommen. 2014 gab es bereits ein Leck im Godorfer Hafen. Dabei plante LyondellBasell, ein ganzes Rohrbündel an der Rohrleitungstrasse Ost neu zu verlegen, teils unterirdisch – unter Straße und Bahndamm – in einem begehbaren Tunnel, teils unterirdisch neben diesem Tunnel im alten Trassenbereich, teils oberirdisch als Rohrbrücke. Die Bezirksregierung Köln genehmigte diese Planung.

Der Tunnel wurde daraufhin gebaut, die Hochlegung unterirdischer Rohrleitungen aber nicht umgesetzt. Stattdessen stellte die Betreiberfirma einen Änderungsantrag zum Weiterbetrieb der alten Leitungen. Der TÜV Rheinland meldete am 2. Februar 2015 »keine Einwände« gegen den Weiterbetrieb der jetzt leckgeschlagenen Naphtha-Leitung »bis zur turnusgemäßen Prüfung im Jahr 2017« an. Die Bezirksregierung Köln stimmte am 22. März 2015 zu. Aber: Das Unternehmen sollte untersuchen, wie es um die »Lebensdauer« der Leitung bestellt sei.

Bei der TÜV-Untersuchung am 8. Mai mit dem »Ultraschall-Molch« gab es keine Ergebnisse. Am 12. Mai wurde der »Akustik-Molch« eingesetzt. Dabei wurde das Loch in der Pipeline gefunden. Die Leckage war nicht das erste Malheur, denn Schadensfälle gibt es seit den 80er Jahren. Kontaminierter Boden musste ausgehoben werden.

Die »enge Verbindung« zwischen Pipeline-Betreibern, Genehmigungsbehörden und TÜV wird von den Pipeline-Kritikern seit Jahren moniert. »Neutrale Gutachter« werden gefordert, zuletzt vehement bei der Anhörung der Bezirksregierung Düsseldorf zur CO-Pipeline in der Gruga-Hlle in Essen. Ein Gutachter, der den Chemie-Größen dieser Welt negative Ergebnisse attestiert, müsste allerdings damit rechnen, dass seine Auftragslage ebenfalls negativ verläuft.

Uwe Koopmann