Frauen

Anne Frohnweiler zu 100 Jahre Internationaler Frauentag


Rede auf der Veranstaltung der Kulturvereinigung Leverkusen und der DKP Rheinland-Westfalen am 19. März 2011

Der Kampf um gleichen Lohn für gleiche Arbeit und Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich

Logo: Frauensymbol mit rotem Stern.

Rund 210.000 Arbeiter und Ange­stell­te aus über 1000 Metall­betrie­ben haben am 24. Feb­ruar nach Anga­ben der IG Metall mit betrieb­li­chen Aktio­nen gegen Leih­arbeit und pre­käre Beschäf­ti­gung demons­triert. Auch ver.di und andere Gewerk­schaf­ten mobi­li­sier­ten zu Protes­ten. Von den Schiff­bauern in Flens­burg bis zu den Arbei­tern des Auto­zulie­ferers ZF in Fried­richs­ha­fen am Boden­see leg­ten repu­blik­weit Beleg­schaf­ten vor­über­ge­hend die Arbeit nieder und betei­lig­ten sich an Kund­ge­bun­gen. Anlass war die erste Lesung des von der Bun­des­re­gie­rung ein­ge­brach­ten Geset­zes zur Leih­ar­beit, das zwar Mindest­löhne für die Branche vorsieht, aber weder gleiche Löhne wie bei Stamm­beschäf­tig­ten noch irgend­welche Begren­zun­gen von Leih­arbeit vorsieht.

 

 

 

Im Aufruf des DGB »Arbeit – sicher und fair« heißt es:

»Die wirtschaftliche Erholung nach der Finanzkrise schafft kaum sichere Arbeitsplätze – Leiharbeit, befristete Beschäftigung und unsichere Arbeit nehmen zu. Die Arbeitgeber missbrauchen die Leiharbeit. Lohndumping ist die Folge.

Befristete Beschäftigung wächst in einem unerträglichen Maße an. Fast zehn Prozent der Beschäftigten arbeiten inzwischen nur noch befristet. Jede zweite Neueinstellung erfolgt mit einem befristeten Arbeitsvertrag. Vor allem junge Menschen bezahlen hierfür den Preis – sie finden nach der Ausbildung oder nach dem Studium nur unsichere Arbeit. Und viele – vor allem Frauen – werden in schlecht bezahlte und befristete Arbeit oder unfreiwillige gedrängt«.

 

»Unter dem Deckmantel der Flexibilität wird der Grundsatz ›Gleicher Lohn für gleiche Arbeit‹ ausgehebelt – das ist ein Skandal«, kritisierte auch Erich Klemm, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Daimler.

 

Die Forderung »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit« ist so alt, wie die Lohnarbeit selbst, betrifft Frauen wie immer in doppelter Weise und gehört nun schon seit 100 Jahren zu den zentralen Forderungen der proletarischen Frauenbewegung.

 

Genossinnen und Genossen,

der Internationale Frauentag hat eine lange Tradition. Er geht auf die Arbeiterinnenbewegung von Mitte des 19. bis zum 20. Jahrhundert zurück. Erste entscheidende Momente waren Demonstrationen und Streiks von Textilarbeiterinnen in den USA seit 1858. Auch wenn verschiedene historische Ereignisse als die Geburtsstunde des Internationalen Frauentages angeführt werden – eines steht fest: Immer sind es Textilarbeiterinnen, von denen die Rede ist.

Seit Beginn der Industrialisierung stieg der Anteil der Fabrikarbeiterinnen. Sie erhielten für die gleiche Arbeit nur einen Bruchteil des Lohnes der Männer. Sie streikten mehrfach für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, für kürzere Arbeitszeiten und gegen unzumutbare Wohn- und Lebensbedingungen und wehrten sich damit gegen Ungerechtigkeit und Diskriminierung. Bereits am 20. Februar 1909 feierten Arbeiterinnen in den USA einen nationalen Frauentag.

Am 27. August 1910 beschloss die II. Internationale Sozialistische Frauenkonferenz, an der mehr als 100 Delegierte aus 17 Ländern teilnahmen, auf Initiative der deutschen Sozialistin Clara Zetkin die Einführung eines jährlichen Internationalen Frauentages.

»Clara Zetkin und ihre sozialistischen Mitstreiterinnen kannten die Verhältnisse in den Fabriken ihrer Zeit sehr gut. Es ging ihnen um das Recht der Frauen auf Erwerbsarbeit, diese Forderung verbanden sie jedoch auch stets mit Ansprüchen an die Bedingungen und Qualität dieser Arbeit. Außerdem war ihnen bewusst, dass Arbeit unter kapitalistischen Bedingungen – Lohnarbeit – immer entfremdete Arbeit bleiben muss. Daher war der Kampf um die Überwindung dieser kapitalistischen Verhältnisse für sie unverzichtbarer Bestandteil des Kampfes für die Befreiung der Frau und der Aufbau einer besseren – sozialistischen – Gesellschaft notwendige Voraussetzung für deren Durchsetzung.« (aus: Raja Bernard, Marxistische Blätter 6-09, S.35)

  • Der erste internationale Frauentag fand am 19. März 1911 in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA statt. Die politische Forderung war das aktive und passive Wahlrecht für Frauen. Mehr als eine Million Frauen gingen auf die Strasse.
  • 1921 wurde auf der Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen in Moskau der 8. März  zu Ehren der Rolle der Frauen in der russischen Februarrevolution von 1917 als internationaler Gedenktag eingeführt.
  • 1922 wird der Internationale Frauentag erstmals in verschiedenen Ländern einheitlich begangen.
  • Heute ist dieser Tag ein weltweit etablierter Gedenk- und Aktionstag, der in weit mehr als 150 Staaten der Erde begangen wird und den sowohl nationale als auch internationale Organisationen sowie die Medien aufgreifen und zum Thema machen.

Kolleginnen und Kollegen, Genossinnen und Genossen,

im Jahr 2011 schauen wir auf wichtige Meilensteine auf dem Weg zur Gleichberechtigung zurück:

90 Jahre Frauenwahlrecht, 60 Jahre Gleichstellungsartikel im Grundgesetz, 50 Jahre Gleichberechtigungsgesetz. Auf rechtlicher Ebene haben wir Frauen viel erreicht.

Dennoch: echte Gleichstellung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sieht anders aus. Heute geht es um die Verwirklichung der Chancengleichheit, um gleichberechtigte Teilhabe von Frauen im Erwerbsleben und an politischen Entscheidungsprozessen und gesellschaftlichen Ressourcen.

In Deutschland verdienen Frauen noch immer bis zu 23 Prozent weniger als Männer. Viele von ihnen bemühen sich täglich um eine Balance zwischen Familie und Beruf. Und viele Frauen wollen einen beruflichen Aufstieg wie ihre männlichen Kollegen. Frauen sind aber wesentlich stärker mit niedrig(st)en Löhnen und unsicherer Beschäftigung konfrontiert. Dass Frauen im Alter von ihrer Rente leben können, setzt gute Beschäftigungschancen mit guter Bezahlung voraus. Über 3,2 Millionen Frauen in Deutschland waren in 2010 ausschließlich geringfügig beschäftigt – in Mini, Midi und Ein Euro Jobs, abhängig von einem »Ernährereinkommen« oder Sozialhilfe. Sie stellen zwei Drittel dieser Beschäftigungsgruppe. Selbst am prekären Rand ist die deutsche Arbeitswelt gespalten. Das männliche Prekariat hat eine Vollzeitjob als Leiharbeiter und war von der Krise 2009 erstmals massenhaft betroffen. Die immer wieder verbreitete Behauptung, die Frauen seien besser durch die Krise gekommen, ist trotzdem eine dreiste Lüge. Zwar sind die Jobs als Regaleinräumerin, Babysitterin oder Putzfrau kaum von der Konjunktur abhängig, aber gut ist etwas anderes. Das Schlechte hat sich nicht weiter verschlechtert, das ist alles. Der sog. Aufschwung wird an diesen Frauen ebenso vorübergehen wie zuvor die Krise.

In vielen Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag stellen Gewerkschafterinnen mit anderen frauenpolitischen Akteurinnen ihre Forderungen in den Mittelpunkt. Sie engagieren sich für Entgeltgleichheit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie gleiche Karrierechancen.

Wir fordern heute mit ihnen gemeinsam:

  • gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit
  • bedarfsgerechte und qualifizierte Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für alle Kinder
  • flexible Arbeitzeitmodelle
  • bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege
  • gleiche Karrierechancen für Männer und Frauen – mehr Frauen in Führungspositionen
  • Eindämmung von Niedriglöhnen und prekärer Beschäftigung – gesetzlicher Mindestlohn
  • eigenständige Existenzsicherung für Frauen und sichere Rente!

Aber liebe Genossinnen und Genossen ich möchte diese berechtigten Forderungen um eine wesentliche ergänzen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung veröffentlichte Mitte Februar, dass die Beschäftigten im Jahr 2010 1,25 Milliarden Überstunden geleistet haben, – bezahlt und auch unbezahlt. Das waren 15 Prozent mehr als im Vorjahr!

Wir wissen, dass die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich zurzeit nicht auf der Agenda der Gewerkschaften steht und auch schon fast anachronistisch erscheint. Nichts desto trotz bleibt sie ein zentraler Hebel zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit, gegen Arbeitsverdichtung und die rasante Zunahme psychischer Erkrankungen und »Für ein gutes Leben«.

Deshalb muss auch der Kampf um Arbeitszeitverkürzung geführt werden nicht nur aber vor allem auch für uns Frauen, die sich zwischen Lohnarbeit, Partnerschaft und Familie allzu oft aufreiben.

 

 

Anne Frohnweiler
Leverkusen, März 2011