Partei

Gemeinsame Perspektiven entwickeln

Voller Saal.

Der 22. Parteitag der DKP:

Partei erhalten und gemeinsame Perspektiven entwickeln!

Liebe Genossinnen und Genossen,

In den ökonomisch stärksten Zentren der Welt hält die Rechtsentwicklung an. Damit verbunden ist in Deutschland wie in anderen imperialistischen Ländern auch der Versuch einer noch rigoroseren Durchsetzung des Neoliberalismus. Die Angriffe maßgeblicher Kapitalkreise auf die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Bevölkerung führen zu weiterem Abbau sozialer und demokratischer Errungenschaften. In dieser Situation tragen Kommunistinnen und Kommunisten weltweit eine große Verantwortung dafür,  Alternativen zur neoliberalen Kriseneskalation aufzuzeigen. Die Suche nach Lösungswegen macht einen längeren Diskussionsprozess erforderlich, in dem unterschiedliche Auffassungen etwas vollkommen Normales sind. Notwendig ist aber ein solidarisches Miteinander ohne Denkschablonen oder gar administrative Maßnahmen.

Die politischen Schlussfolgerungen aus dieser Entwicklung sind klar: Wir müssen und wollen diese Herausforderungen annehmen und kommunistische Politik entwickeln. Zu einer anhaltenden Auseinandersetzung um den richtigen Kurs der Partei und zu einem gleichzeitigen Bemühen, trotz der Differenzen Möglichkeiten des aktuellen gemeinsamen Eingreifens in die heutige Politik zu suchen und zu finden, gibt es keine brauchbare und wirkungsvolle Alternative.

Trotzdem haben nun Dutzende Parteimitglieder vor allem in Südbayern nach Jahrzehnten kommunistischen Wirkens ihren Austritt aus der DKP erklärt. Die DKP verliert anerkannte kommunistische Persönlichkeiten, sie verliert Kampfgefährtinnen und Freunde sowie einen reichen Erfahrungsschatz aus Jahrzehnten Klassenkampf.

Wesentliche Ursachen für diese Schwächung der DKP liegen in einer vom Parteivorstand jahrelang behinderten Debatte offener politischer Fragen und gegensätzlicher Auffassungen einerseits und der Unfähigkeit, Felder gemeinsamen Handelns für die Gesamtpartei zu formulieren, andererseits. Stattdessen wurden Gräben vertieft durch Androhung und Durchsetzung administrativer Maßnahmen gegen den Teil der innerparteilichen Kritiker, die auf der Grundlage des bestehenden Parteiprogramms und Statuts die Partei entwickeln wollen. Linksradikale und sektiererische Auffassungen dagegen wurden in den Publikationen der Partei gefördert, ohne dass der Parteivorstand die politische Debatte über strittige Fragen wirklich umfassend organisiert hätte. Fehlende oder mangelhafte Analysen, unrealistische Zielsetzungen und eskalierende Auseinandersetzungen führen zu Enttäuschungen auch und gerade bei vielen jüngeren Mitgliedern der DKP. Der Zerfallsprozess der Partei setzt sich fort und gewinnt im Vorfeld des 22. Parteitags noch an Fahrt.

Trotz der massenhaften Austritte ist bisher nicht erkennbar, dass durch den Parteivorstand eine Kurskorrektur erfolgt. Auch der Appell des Sekretariats des Parteivorstands an die Parteimitglieder wird wiederum verbunden mit der Bekräftigung der Beschlüsse zur Auflösung des Bezirks Südbayern und zur Unvereinbarkeitserklärung, die gegen Mitglieder der DKP gerichtet sind.

Spätestens seit dem Gespräch zwischen Mitgliedern des Parteivorstands und Genossinnen und Genossen, die über das Netzwerk miteinander verbunden sind, spätestens also seit März 2017 gibt es eine wachsende Zahl von Vorschlägen aus den Reihen der Partei zur möglichen Deeskalation und Bearbeitung der vielfältigen Konflikte. Angefangen von der öffentlichen Einladung zu Netzwerk-Treffen (was vom Sekretariat des Parteivorstands erst gewünscht, nach Realisierung aber verurteilt wurde), bis hin zu verschiedensten Vorschlägen der Bezirksvorstände Südbayerns oder Saarlands. Mitglieder des Parteivorstands haben auf jeder Parteivorstandstagung alternative Wege der Konfliktlösung aufgezeigt, und schließlich wird auch dem 22. Parteitag eine Reihe von Anträgen mit entsprechender Zielsetzung vorliegen.

Offene und transparente Debatten, die Anerkennung der gleichen Rechte aller Genossinnen und Genossen, ihre Meinungen frei zu äußern, nach Möglichkeit auch in den Publikationsorganen der Partei, die Würdigung von Programm und Statut für die Politikentwicklung der Partei, der Verzicht auf administrative Maßnahmen gegen einzelne oder ganze Gliederungen der Partei, würden das Netzwerk aus unserer Sicht überflüssig machen.

Die Beschlüsse der 9. Parteivorstandstagung zur Auflösung des Bezirks Südbayern und zur Einleitung eines Unvereinbarkeitsbeschlusses gegen Mitglieder, die sich über das «Netzwerk kommunistische Politik» inhaltlich austauschen, müssen daher zurückgenommen werden.

Genossinnen und Genossen der DKP und insbesondere die Delegierten des 22. Parteitags sind aufgerufen, sich für eine Deeskalation in der Parteiauseinandersetzung einzusetzen. Um den Zerfallsprozess der DKP zu stoppen, ist die Bereitschaft zum Kompromiss von allen Parteiströmungen erforderlich. Alle Teile der Partei müssen die Frage beantworten, wie sie dazu beitragen können, den weiteren Niedergang zu stoppen und bisherige Verhaltensmuster überdenken.

Wir unterstützen Vorschläge zur Einrichtung einer breit besetzten Kommission, die Wege für eine gemeinsame Zukunft aller Strömungen in der DKP erarbeiten soll.

Wir rufen alle Genossinnen und Genossen auf, sich nicht durch den Ausgrenzungskurs aus der Partei treiben zu lassen, sondern weiter mit uns in der DKP zu kämpfen für eine zukunftsfähige kommunistische Partei.

Karl Marx' 200. Geburtstag, die 100sten Jahrestage der Oktober- und Novemberrevolution sowie der Gründung der KPD, nicht zuletzt der 50. Jahrestag der Gründung der DKP sollten uns veranlassen, jetzt lösungsorientiert zu handeln und die Deutsche Kommunistische Partei zu stärken.

Detlef Fricke
Dezember 2017
Foto: I.Lang