Soziales

Pflegekammern sollen privates Gesundheitssystem festigen

 Säuglingspflege. Schwestern mit Babies.

Risiko und Nebenwirkungen

Die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte in Krankenhäusern, Altenpflegestätten und privaten Pflegeinstituten befindet sich am Limit. Mehr Personal, eine bessere Bezahlung und Fortbildung für die Beschäftigten würde vieles verbessern. Zu dieser Erkenntnis kommt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Mit Entlastungsstreiks im Herbst 2018 hat sie große Sympathien auch bei der Bevölkerung erreicht. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen merken täglich, wohin ein Gesundheitssystem führt, welches nach wirtschaftlichen Interessen handelt. Der Dampf im Kessel steigt.

Als Antwort zaubern die Herrschenden nun mit einem Placebo die «Pflegekammer» aus dem Hut. Ähnlich wie mit den Bundesärztekammern will man damit weitere Standesorganisation etablieren. Mit dem Motto «Die Pflege braucht endlich eine Stimme» ebnen Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in NRW und Jens Spahn, Bundesminister für Gesundheit, der Pflegelobby den Weg zu weiteren Privatisierungen. Hintergrund: Mit den Pflegekammern sollen Berufs- und Interessenverbände, also auch die Gewerkschaften, weniger Einfluss bekommen. Die Lobbyverbände der Kammern bestehen aus Vertretern der Berufsgruppen, der Alten- und Kinderkrankenpflege und der Gesundheits- und Krankenpflegekonzerne.

Die Initiatoren der Pflegekammern behaupten, so würde die Pflege verbessert. Doch das sind nichts Anderes als Irrlichter für Beschäftigte und Pflegebedürftige. Bereits bestehende Pflegekammern auf Länderebene bestätigen dies. Kaum gegründet, beweist die mehrheitliche Zusammensetzung aus privaten Organisationen und Vertretern der Gesundheitskonzerne, was es zu verhindern gilt. Zum Beispiel bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Oder Einstellung von Arbeitskräfte zu tariflichen Bedingungen. Selbst eine durch die Unternehmer bezahlte und während den Arbeitszeiten stattfindende Fortbildung wird verweigert.

In Niedersachsen ließ man außerdem schon mal durchblicken, was Beschäftigte im Pflegebereich von diesen Kammern sonst noch zu erwarten haben. Zur Finanzierung der Verwaltung wurde extra eine Zwangsmitgliedschaft eingeführt. Jeder Beschäftigte der mehr als 9168 Euro brutto im Jahr verdient, zahlt einen Jahresbeitrag bis zu 280 Euro. Das brachte mehr als 48.000 Beschäftigte mit Stand 20. Januar 2019 auf die Palme. Sie unterschrieben eine Online-Petition gegen diese zusätzliche Art von Ausbeutung.

Laut ver.di können Pflegekammern die jetzigen Zustände im Pflegebereich und bei den Arbeitsbedingungen nicht besser regeln, als die staatlichen Stellen, die dafür eingesetzt sind. Aufgabe sei es deshalb, pflegebedürftige Menschen vor schlechter oder unsachgemäßer Pflege zu schützen. Das gehe nicht mit mehr Privat vor Staat. «Es mangele auch nicht an wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Pflegewissenschaft. Vielmehr an der Möglichkeit, diese in der Praxis entsprechend umzusetzen» so ver.di weiter.

Die Pflege für Bedürftige kann nur verbessert werden durch gute Ausbildung, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Denn unzureichende Qualifikationen und zu wenig Personal bedeuten in der gesundheitlichen Versorgung stets große Gefahren für die Pflegebedürftigen. Der Versuch der Landesregierungen mit den Pflegekammern mehr Einfluss auf Löhne und Gehälter, Ausbildungsrichtlinien und Fortbildungen zu bekommen, muss gestoppt werden. Dazu ist organisierter, gewerkschaftlicher und breiter Widerstand aus der Bevölkerung notwendig. Erklärungen durch ver.di und der Hinweis auf eine sozialpartnerschaftliche und parlamentarische Lösung, wie sie wohl auch in NRW mit der Landesregierung angestrebt wird, werden die Zustände bei der Pflege nicht verbessern.

Herbert Schedlbauer
Foto: Bundesarchiv, Bild 102-09683
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