Versammlungsgesetz in NRW

Demonstrierende mit Transparent: Karikatur, «Drohende Gefahr für die Freiheit. Gesucht: Herbert Reul, 65, NRW-Innenminister. Angriff auf Grundrechte Überwachungswahn».

Demo vor dem Landtag

Weg mit dem «neuen» Versammlungsgesetz

Manche Demonstranten im Hambacher Forst hätten nicht für den Wald, sondern gegen den Kapitalismus gekämpft, sagt NRW-Innenminister Herbert Reul vor zwei Jahren in einem Interview der Süddeutschen Zeitung. Und dies sei mit Gewalt erfolgt, behauptete er. Man müsse die ganz Bandbreite des linken Extremismus bekämpfen.

Wörtlich: «Und zum Thema Linksjugend: Auch die will unseren Staat abschaffen,» und deshalb führe sie «einen antikapitalistischen Kampf. Das ist wichtig für die Einschätzung, wie ich mit denen umgehe.»

Nun wissen wir, wie er mit «denen» umgehen will. Er hat einen Entwurf für ein neues Versammlungsgesetz vorgelegt.

Die VVN-BdA NRW lehnt dies geplante Versammlungsgesetz der von CDU und FDP geführten Landesregierung entschieden ab. Als Teil der größten antifaschistischen Organisation der Bundesrepublik Deutschland, 1946 von den Überlebenden der Konzentrationslager und des Holocaust in Düsseldorf gegründet, sehen wir in diesem Gesetzesentwurf die Gefahr, in Zukunft nicht mehr gegen den aktuell immer stärker werdenden Rechtsextremismus demonstrieren zu können.

Sollte dieser Entwurf verabschiedet werden, würde bereits ein Aufruf zur gewaltfreien Blockade von Aufmärschen neofaschistischer und rechtspopulistischer Parteien und Gruppierungen unter Strafandrohung von bis zu zwei Jahren gestellt werden. Auch angemeldete Gegendemonstrationen wären davon betroffen.

Gewinner wären nur rechte Parteien und Gruppierungen.

Die Blockadeaufrufe des Bündnisses 'Düsseldorf stellt sich quer' mit Persönlichkeiten wie Oberbürgermeister, Abgeordneten, Gewerkschaftsvorständen, Betriebsräten und Jugendorganisationen, haben bis heute Wirkung. Die Nazis wurden in Düsseldorf zurückgedrängt. «Es reicht!» hatten die Persönlichkeiten erklärt. «Wir stellen uns den Nazis gemeinsam in den Weg.» Es gilt, «den Nazihorden den Weg zu blockieren.»

Für solche Aufrufe würden die Persönlichkeiten sich heute zwei Jahre Gefängnis einhandeln, wenn das neue NRW-Gesetz durchkommt.
Dies Gesetz setzt sich über das Mutlangen-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hinweg, das Blockaden im Politischen Kampf erlaubt.
Der Gesetzentwurf reiht sich ein in die antidemokratischen Maßnahmen, die in den Pandemiezeiten üblich wurden: Flugblattverteilen? Verboten! Demonstrieren? Verboten, wenn es sich nicht um Querdenkerdemos handelt. In Kassel wurde den rechten Obskurantisten freie Hand gelassen, aber gegen die demokratischen Gegendemonstranten durften Polizisten ihr Mütchen kühlen, wie Medien berichteten.

Nach der Verschärfung des Polizeigesetzes 2018 geht die NRW-Regierung mit ihrem Gesetzentwurf zum Versammlungsrecht einen weiteren Schritt in Richtung Polizeistaat. Gegenüber Veranstalter*innen, Versammlungsleiter*innen, Order*innen und Teilnehmenden werden Hürden und eine strafbewehrte Drohkulisse aufgebaut, die offenbar vor der Anmeldung und Durchführung von öffentlichen Kundgebungen abschrecken oder diese zumindest erschweren soll.
Davon wären dann nicht nur antifaschistische Kundgebungen betroffen, sondern auch Kundgebungen beispielsweise der Friedens-, Umwelt- und Klimabewegung, wie z.B. «Fridays for Future» oder «Ende Gelände».

Der Gesetzentwurf schreibt vor, dass in der Einladung zu einer öffentlichen Versammlung der Name des Veranstalters oder der Veranstalterin anzugeben sei, er somit öffentlich wird.

Dies bedeutet faktisch, dass die anmeldende Person einer antifaschistischen Demonstration den Nazis zum Fraß vorgeworfen wird, damit diese ihre Todeslisten auf dem Laufenden halten können.

Dazu kommt noch:
Es soll aus jedem Grund, den die Polizei als «Gefahr für die öffentliche Sicherheit» annimmt, eine Liste mit Namen und Adressen der Ordner herausgeben werden müssen, unabhängig davon, ob die Gefahr aus der eigenen Demonstration oder von anderen Umständen ausgeht.

Auch weitere Einschränkungen wie das sogenannte «Militanzverbot», das erweiterte Uniformverbot, die Einrichtungen von Kontrollstellen oder die Erleichterung von Teilnahmeuntersagungen gegenüber einzelnen Personen ohne versammlungs-bezogenen Anlass eröffnen Tür und Tor für willkürliche Entscheidungen der Polizei. Nicht überraschen kann in diesem Zusammenhang der Ausbau der Videoüberwachung.

Wir sagen: Die Möglichkeit zu friedlichen Blockadeaktionen ist eine ebenso wichtige und legitime Protestform.
Das Recht, unerkannt an öffentlichen Formen des Protests und der Meinungsäußerung teilzunehmen ist für eine demokratische und pluralistische Gesellschaft nicht verhandelbar.

Sollte dieser Gesetzentwurf verabschiedet werden, würden erfolgreiche Gegen-demonstrationen gegen die rechte Szene nur noch unter hohen persönlichen Risiken für die Beteiligten stattfinden können – oder eben gar nicht mehr.

Damit würde das Versammlungsgesetz die Straße für Neofaschisten und Rechtsextremisten frei machen.

Wir verlangen:
Weg mit diesem Gesetzentwurf!
Er kann nicht verbessert werden, er muss ganz zurückgezogen werden!

Rede von Falk Mikosch
Landessprecher der VVN-BDA NRW