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Über Klassenlinien und die Knete im Kommunalwahlkampf

Wahlplakat mit Porträt Uwe Koopmann: »Konsequent und unbestechlich! Uwe Koopmann DKP wählen«.

Die aktiven Eingriffe in das passive Wahlrecht

 

[update] Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land hat ein fei­nes Wahl­ge­setz: »Die Ab­ge­ord­ne­ten des Deut­schen Bun­des­ta­ges wer­den in all­ge­mei­ner, un­mit­tel­ba­rer, frei­er, glei­cher und ge­hei­mer Wahl ge­wählt. Sie sind Ver­tre­ter des gan­zen Vol­kes, an Auf­trä­ge und Wei­sun­gen nicht ge­bun­den und nur ih­rem Ge­wis­sen un­ter­wor­fen.« So­weit der Ar­ti­kel 38 des Grund­ge­set­zes.

 

Wer­den die wohl­fei­len Be­grif­fe all­ge­mein, un­mit­tel­bar, frei, gleich und ge­heim in ei­ne Be­zie­hung zum pas­si­ven Wahl­recht ge­setzt, al­so zum Recht, ge­wählt zu wer­den, dann zei­gen sich auch da er­heb­li­che Ein­grif­fe ins Wahl­recht. Die­se Ein­grif­fe ha­ben Ge­schich­te. Sie un­ter­lie­gen den Klas­sen- und Macht­ver­hält­nis­sen in der ka­pi­ta­lis­ti­schen Mon­ar­chie und spä­te­ren Re­pu­blik Deutsch­land.



­Bis zum 14. Au­gust 1919 galt die Bis­marck­sche Reichs­ver­fas­sung von 1871. Das da­ma­li­ge Wahl­recht ging zu­rück auf das Wahl­recht der Frank­fur­ter Na­tio­nal­ver­samm­lung (1849). Kri­te­ri­en schon da­mals: all­ge­mein, gleich, ge­heim und di­rekt. Gra­vie­ren­de Aus­nah­men: Frau­en und »So­zi­al­hil­fe­emp­fän­ger« durf­ten nicht wäh­len. Das Klas­sen­wahl­recht der Ein­zel­staa­ten, ins­be­son­de­re in Preu­ßen, hob al­ler­dings die Gleich­heit ge­ne­rell auf: Wer mehr Geld hat­te, der hat­te mehr Stimm­recht. Wer mehr Stim­men hat­te, der hat­te mehr Macht. Und wer mehr Macht hat­te, der konn­te sich wie­der­um mehr Geld si­chern.



­Die­se Müh­le aus dem Kai­ser­reich dreht sich noch heu­te. Um die Wahl­müh­le in Schwung zu brin­gen, be­darf es der Wahl­wer­bung. Mit ih­rem kom­mer­zi­el­len Ein­satz ist der Grund­satz der»Gleich­heit« zwi­schen den Par­tei­en be­reits auf­ge­ho­ben. Die Düs­sel­dor­fer CDU setzt zum Bei­spiel im Wahl­kampf ne­ben 2000 Pla­ka­ten auch 85 »Wes­sel­män­ner« ein. Das sind die be­kann­ten Groß­wer­be­flä­chen (2,90 mal 3,70 Me­ter), de­nen ei­ne grö­ße­re Auf­merk­sam­keit zu­ge­spro­chen wird. Hoch ist al­ler­dings auch der Preis: 500 Eu­ro pro Stell­wand. Das wä­ren für die CDU in Düs­sel­dorf 42.500 Eu­ro al­lein für die­se Wer­be­trä­ger. Die SPD nennt für ih­ren Wer­be­etat als Ge­samt­sum­me den Be­trag von 200.000 Eu­ro. Die Grü­nen brin­gen es auf 1000 Pla­ka­te und zwölf »Wes­sel­män­ner«. Die FDP will 100 Gro­ß­pla­ka­te. Ihr Wahl­kampf-Etat: 80.000 Eu­ro – im­mer nur be­zo­gen auf die Stadt Düs­sel­dorf.



­Die Pla­kat-Flut ir­ri­tiert so­gar die bür­ger­li­che Pres­se. Viel­leicht wä­ren den Ver­la­gen groß­for­ma­ti­ge An­zei­gen an­ge­neh­mer. Die Düs­sel­dor­fer DKP kann die Me­di­en be­ru­hi­gen – und wird den­noch von den Re­dak­tio­nen weg­zen­siert: Es gibt 100 Stell­plät­ze für 200 Pla­ka­te und 50 Pla­ka­te als stil­le Re­ser­ve für die er­war­te­ten Zer­stö­run­gen. Al­les läuft eh­ren­amt­lich. Das Geld für den be­schei­de­nen Wahl­kampf ha­ben sich die DKP-Mit­glie­der vom täg­lich’ Brot ab­ge­spart.



­Die gra­vie­ren­de Un­gleich­heit der Par­tei­en zeigt sich nicht nur an den Aus­ga­ben für die Wer­bung. Sie zeigt sich na­tür­lich auch an den Ein­nah­men von de­nen, die in die Par­tei­en in­ves­tie­ren, um nach der Wahl be­dient zu wer­den. Ei­nes der be­kann­tes­ten of­fe­nen Ge­heim­nis­se war die Mil­lio­nen­spen­de von »Mö­ven­pick« (Au­gust von Finck) an die FDP, die da­nach den Mehr­wert­steu­er­satz für Ho­tels von 19 auf 7 Pro­zent senk­te. Die CSU be­kam üb­ri­gens 430.000 Eu­ro. Oder: Die Quandt-Fa­mi­lie (BMW) zahl­te 690.000 Eu­ro und be­kam da­für von An­ge­la Mer­kel die Un­ter­stüt­zung für die eu­ro­pa­wei­te Zu­las­sung ih­rer Dreck­schleu­dern. Die Spen­den­af­fä­ren von Hel­mut Kohl (CDU-Vor­sit­zen­der vom 12. Ju­ni 1973 bis 7. No­vem­ber 1998) und Wolf­gang Schäu­b­le (CDU-Vor­sit­zen­der von 7. No­vem­ber 1998 bis 16. Fe­bru­ar 2000) ist bis heu­te nicht in al­len Tie­fen auf­ge­klärt. 1,3 Mil­li­onen DM gin­gen von Thys­sen auf ei­nem Schwei­zer Park­platz an die CDU. Kohl sel­ber kas­sier­te 2,1 Mil­lio­nen DM il­le­ga­ler Par­tei­spen­den. Er gab sein »Eh­ren­wort«, die Spen­der nicht zu nen­nen.



­Die Fa­mi­lie Eh­ler­ding spen­de­te 6,5 Mil­lio­nen DM. Sie be­kam die Zu­sa­ge für 110.000 Ei­sen­bah­ner­woh­nun­gen. Aus dem Sumpf ra­gen die Köp­fe von Man­fred Kan­ther, Ro­land Koch, Wal­ter Leis­ler Kiep, Max Strauß und an­de­ren her­aus. »Ver­sü­ßt« wur­den die Si­tua­ti­on durch ei­ne Spen­de über 1 Mil­li­on DM von »Fer­re­ro«. Durch Ge­wer­be­steu­er­ma­ni­pu­la­tio­nen am CDU-ge­führ­ten Stand­ort Stadt­al­len­dorf wur­den 13 Mil­lio­nen DM Steu­ern ge­spart.

 

Es geht auch noch an­ders: »Be­zie­hungs­pfle­ge« der pri­ckeln­den Art. Düs­sel­dorfs Ober­bür­ger­meis­ter Dirk El­bers (CDU) und mehr als 50 wei­te­re Emp­fän­ger wur­den von der Fir­ma In­dus­trie­ter­rains Düs­sel­dorf-Reis­holz (IDR) mit Cham­pa­gner-Kis­ten ver­wöhnt. Der Wert ei­ner Kis­te: 250 Eu­ro. Die­se süf­fi­san­te Form der Vor­teils­an­nah­me wur­de ju­ris­tisch mi­ni­ma­li­siert: El­bers be­kam von der Staats­an­walt­schaft ei­ne Geld­auf­la­ge von 10.000 Eu­ro. Der Fo­cus schrieb – weit vor dem Ho­en­eß-Skan­dal – über den nicht ein­sich­ti­gen, aber gön­ner­haf­ten OB: »Dirk El­bers ist be­reit die Geld­auf­la­ge zu be­glei­chen.« Da­mit war die An­ge­le­gen­heit er­le­digt. Bleibt nach­zu­tra­gen, dass es sich bei den Cham­pa­gner-Kis­ten fast um Selbst­be­die­nung han­del­te, denn die IDR ist ein städ­ti­sches Toch­ter­un­ter­neh­men.

 

Freund­schafts­pfle­ge gibt es na­tür­lich auch im be­nach­bar­ten Köln: Die Bau­wens-Grup­pe mit den Ge­sell­schaf­tern Paul Bau­wens-Ade­nau­er und Pa­trick Ade­nau­er – zwei En­kel von Kon­rad Ade­nau­er – ver­kauf­te dem lan­des­ei­ge­nen Bau- und Lie­gen­schafts­be­trieb (BLB) meh­re­re Grund­stü­cke, die sie sel­ber erst kurz zu­vor er­wor­ben hat­ten. »Zu­fäl­lig« muss­ten die Ge­sell­schaf­ter er­fah­ren ha­ben, dass hier mit ei­ner »Zwi­schen­schal­tung« Geld zu ma­chen ist, weil ein neu­es Do­mi­zil für die Fach­hoch­schu­le ge­plant wur­de, al­so wohl auch ein Grund­stück ge­sucht wer­den müss­te. Die Ade­nau­ers kauf­ten un­ter an­de­rem ein Teil­grund­stück (»Dom-Braue­rei«) für 23 Mil­lio­nen Eu­ro, ver­kauft wur­de es dann für 33,4 Mil­lio­nen Eu­ro. Paul A. nennt das die »Ge­ne­rie­rung ei­nes Wert­stei­ge­rungs­po­ten­ti­als«. Der neue FH-Stand­ort im Köl­ner Sü­den ist Be­stand­teil ei­nes Mas­ter­plans aus der Fe­der von Al­bert Speer.

 

­Was den Ade­nau­ers das Bau­land­ge­schäft für die FH war, war für die SPD im Jahr 2002 die Par­tei­spen­de über 830.000 DM. Im Ge­gen­zug für die­se »Be­at­mung« ging es um den Zu­schlag für ei­ne Müll­ver­bren­nungs­an­la­ge.



­Fa­zit: Es gibt kei­ne Gleich­heit bei den Wahl­be­din­gun­gen. Die Wahl­be­wer­ber sind nach dem ge­druck­ten Pa­pier des Grund­ge­set­zes frei – in der Wirk­lich­keit aber doch so man­chen Ver­pflich­tun­gen un­ter­le­gen. – Die Lo­sung für die Wahl der DKP zum Ger­res­hei­mer Rat­haus lau­tet: »Kon­se­quent und un­be­stech­lich!« Das ist ein ver­bind­li­cher Klas­sen­auf­trag.

 

Uwe Koopmann