Jugend

Werben für's Sterben

Plakatwerbung der Bundeswehr.

Gegen «bescheuerte Sprüche» und Milliarden-Etat der Bundeswehr

SDAJ protestierte mit Kriegsgegnern vor der Werbeagentur Castenow

An der Stelle, wo die letzten lokalen Nazi-Größen am Endes des 2. Weltkrieges Düsseldorf in einen Ort der verbrannten Erde verwandeln wollten, hat die Werbeagentur Castenow ihr Domizil. In ihrem Nobelbüro am Rhein, der die Grenze zwischen den US-Truppen und den letzten NS-Verbänden bildete, tüftelten die «Kreativen» an einer millionenschweren Kampagne, die junge Leute wieder in die Fänge der Bundeswehr treiben soll. Ein grandioses Eigentor fing sich die Agentur jetzt ein. Passend zu ihrem Slogan «Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst» bekam sie keine Bewerbungsschreiben für den Barras, sondern direkt vor die Haustür gab’s eine Protestaktion der SDAJ mit Teilnehmern von Solid, SDS und DKP.

Zur «Verteidigung» Deutschlands in aller Welt fehlen der Bundeswehr nicht nur flugfähige Tornados, startberechtigte Hubschrauber aus der Serie NH90, Nachfolgemaschinen vom Typ Airbus A400M zum Transall-Transporter C160, sondern auch Untersee-Boote – und vor allem Soldaten, die die deutschen «Interessen» im inzwischen 17. völkerrechtswidrigem Kriegseinsatz der Bundeswehr wahrnahmen.

Die Werbeagentur Castenow bekam im Sommer den Auftrag für die neue Werbekampagne der Bundeswehr. Unzählige Plakate, Postkarten, sind seit einem Monat an zahlreichen Bushaltestellen, in Kneipen und Cafés zu bestaunen. Zusammenfassen heißt es im Werbedeutsch von Castenow: «Die Kampagne wird deutschlandweit in allen zielgruppenrelevanten Kanälen sichtbar sein. So wurden verschiedene Motive für OOH, CLP, Großflächen, Print, Social Media, Ambient und Digital entwickelt.» Die Bundeswehr wird als Arbeitgeber dargestellt, der nur das Beste von seinen Leuten will. – Gegebenenfalls das Leben. Aber das sagt Castenow nicht. Unter dem Motto «Mach, was wirklich zählt.» wirbt die Bundeswehr offensiv um neue Soldatinnen und Soldaten für ihre Kriege. Die Werbeagentur Castenow will dabei den Job beim Militär als jung, hipp und sinnstiftend verkaufen.

Annahme verweigert: Werbematerial geht zurück in den Briefkasten der Werbeagentur Castenow.

Die SDAJ hält dagegen: «Sich bei der Bundeswehr zu verpflichten, ist alles andere als cool. Die Bundeswehr dient einem einzigen Sinn und Zweck: der Kriegsführung. Momentan befindet sich die Bundeswehr in 16 Auslandseinsätzen. Erst letzte Woche hat der Bundestag völkerrechtswidrig Einsatz Nummer 17 beschlossen. In Syrien sollen 1200 Soldatinnen und Soldaten den Kampf gegen den IS aufnehmen. Tatsächlich geht es jedoch um die Verschärfung eines seit Jahren andauernden Krieges der USA und ihrer NATO-Partner, darunter Deutschland, zur Neuaufteilung des Nahen und Mittleren Ostens. Es geht, worum es bei imperialistischen Kriegen immer geht: Um Rohstoffe, Ressourcen und Einflusssphären.»

Die SDAJ warnt: Seit vier Jahren tobt in Syrien ein zerstörerischer Bürgerkrieg. Nun wollen auch die deutschen Banken und Konzerne ein Stück vom Kuchen und beteiligen sich mithilfe der Bundeswehr an der weiteren Destabilisierung des Landes. Deshalb lehnt die SDAJ sämtliche Auslandseinsätze der Bundeswehr ab und sagt: Kein Krieg für Profite!

Im letzten Jahr mussten 1600 Soldatinnen und Soldaten in psychiatrische Behandlung wegen der Gräuel, die sie während ihrer Arbeit erlebten; seit 1992 wurden 106 Soldatinnen und Soldaten im Kriegseinsatz getötet. Auch wenn sich die Bundeswehr als offener und moderner Arbeitgeber präsentiert: 55% der Frauen in der Bundeswehr geben an, bereits sexuell von Kollegen und Vorgesetzten belästigt worden zu sein.

Studierende oder Auszubildende bei der Bundeswehr verpflichten sich automatisch für Auslandseinsätze. Was in der Werbung als Abenteuer verkauft wird, ist in Wirklichkeit der reinste Horror. Nach der Heimkehr haben ein Drittel der Soldatinnen und Soldaten tote oder schwerverletzte Kameradinnen und Kameraden gesehen. 36% wurden durch Artillerie beschossen oder durch Minen oder Raketen angegriffen und 30% haben Leichen oder Teile von Leichen gesehen. Die Zahlen posttraumatischer Belastungsstörungen nach dem Auslandseinsatz steigen. Aber wer entscheidet sich angesichts dieser Tatsachen überhaupt für eine Zukunft bei der Bundeswehr?

Annahme verweigert: Werbematerial geht zurück in den Briefkasten der Werbeagentur Castenow.

Überall fehlen Ausbildungsplätze, die Zugangsbeschränkungen an den Unis werden immer höher, nach der Ausbildung ist eine Übernahme meist sehr unsicher und wenn man sie dann hat, meistens befristet. Kaum einer von uns hat noch die Illusion vom sicheren Job – geschweige denn einer freien Lebensplanung. Dagegen wirkt eine Ausbildung oder ein Studium bei der Bundeswehr tatsächlich sehr attraktiv: Über 1000 €/Monat für eine Ausbildung oder Studium und dann auch noch eine Jobgarantie im Anschluss. Wo findet man das noch? Trotz dieser Köder hat die Bundeswehr weiterhin ein Nachwuchsproblem. Und daher gibt sie Jahr für Jahr über 30 Millionen Euro für die Rekrutierung neuer Soldatinnen und Soldaten aus. Allein 10,6 Millionen gehen für die aktuelle Kampagne drauf.

Statt Millionen für bescheuerte Sprüche wie «Wahre Stärke findest Du nicht zwischen zwei Hanteln.» auszugeben, könnte das Geld in die Ausbesserung von Berufsschulen investiert werden. Der aktuelle Bundeswehr-Etat liegt bei 32 Milliarden Euro. Ausreichend Geld, um Schulen und Unis zu sanieren, Kulturangebote zu fördern und nebenbei noch eine ausreichende Versorgung der zahlreichen Geflüchteten sicherzustellen. Doch die Bundeswehr erschließt Einflusssphären und Ressourcen für das deutsche Kapital. Sie hat die Aufgabe, Profite zu sichern. Und dafür ist der Kriegsministerin und den Militärs kein Menschenleben zu schade.

Auf einem Flugblatt, das vor der Agentur verteilt wurde, werden die Forderungen gebündelt:

  • Kein Werben fürs Sterben – keine Werbung für die Bundeswehr!
  • Lehrstellen statt Kriegseinsätze!
  • Keinen Menschen, keinen Cent und keinen Fußbreit der Bundeswehr!

Text: Uwe Koopmann
Fotos: Lang, Koopmann