Köln

Krise der Kölner Kommunalpolitik

Obdachloser liegt neben Papierkorb.

Referat
«Krise der Kölner Kommunalpolitik»

Gehalten auf der Mitgliederversammlung der DKP-Gruppe Innenstadt. Einschätzung hat an Aktualität gewonnen.

Pünktlich zu meinem Referat, dessen Titel ich mit «Krise der Kölner Kommunalpolitik» angekündigt hatte, werden heute Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht (KR 21. August 2018), nach der die Mehrheit, nämlich 59 Prozent von rund 1000 befragten KölnerInnen, mit der Arbeit der Oberbürgermeisterin unzufrieden sind. Die Umfrage ist von den Bertelsmann-Firmen RTL/ntv in Auftrag gegeben worden. Forsa hat sie in 15 Großstädten durchgeführt. Frau Reker steht an vorletzter Stelle. 61% der Befragten würden sie nicht wieder wählen. Aber 47% der Befragten trauen keiner der Parteien zu, die Probleme der Stadt zu lösen. An erster Stelle steht dabei die Verkehrssituation, es folgen die Mieten, Schulen, Umweltbelastungen. 12 Prozent fühlen sich nicht sicher. Reker versichert, sie wolle sich künftig um die Verbesserung des Verkehrs und der Wohnsituation kümmern.

Offenbar nicht gefragt war die Situation der Arbeitsplätze. Die ernste Situation bei Ford war offenkundig noch nicht bekannt (siehe KR 9. August).

Die neoliberale Entfesselung von Marktkräften stellt die soziale Existenz einer wachsenden Anzahl von Menschen in Frage.

Tatsächlich war Reker in letzter Zeit eher mit Personalthemen in der Zeitung. Vieles deutet darauf hin, dass die politischen Probleme der Stadt, wenn nicht gar eine tiefer liegende Krise der Kölner Kommunalpolitik, unter den Personalquerelen verdeckt bleiben. Die herrschenden Parteien sind nicht mehr in der Lage, im Streit um Programme und ihrer Umsetzung die Problemlagen öffentlich darzustellen, geschweige denn zu lösen.

Im April musste der Stadtwerke-Konzern, der 12.000 Menschen beschäftigt, innerhalb von 12 Tagen einen überraschenden Vorschlag zurückziehen. a) sollte die Funktion eines hauptamtlichen Geschäftsführers eingerichtet und b) der Fraktionsvorsitzende der SPD, Martin Börschel, für dieses Amt vorgesehen werden.

Just Konrad Adenauer, der Enkel, hatte schnell reagiert und öffentlich seinen Ekel über den Vorgang mitgeteilt. Unmittelbar beteiligt am geplanten Deal waren CDU-Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau, Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Jörg Frank und die Betriebsratschefs von Rheinenergie und KVB, Wolfgang Nolden und Harald Kraus, in Gestalt des sogenannten Viererausschusses des SWK-Aufsichtsrats.

Bernd Petelkau und Jörg Frank mussten angesichts des wachsenden Skandals ihre politischen Führungsfunktionen zur Disposition stellen. Martin Börschel ist völlig verbrannt.

Der Stadtwerkekonzern (SWK) umfaßt notabene mehr als die Stadtwerke selbst, nämlich noch die RheinEnergie, die KVB, AWB, Häfen und Güterverkehr AB, KölnBäder, Netcologne sowie weitere Firmen und Unterfirmen. Schon im Mai hatte ich davon gesprochen. Die Bilanzsumme liegt über 5 Mrd Euro, das Eigenkapital bei 1,5 Mrd Euro. Also eine Größenordnung, die angesichts der Überproduktionskrise erhebliche Begehrlichkeiten wecken muß. Das große Kapital ist auf verzweifelter Suche nach profitablen Anlagemöglichkeiten.

Darauf spielen SPD und DGB in Stellungnahmen an:

Die Kölner SPD-Stadtratsfraktion will weiterhin eine starke öffentliche Daseinsvorsorge. Mobilität, Energie und Wasser dürften nicht der Profitmaximinierung untergeordnet werden. So äußert sie sich am 9. Mai. Witich Roßmann vom DGB erwartet Bekenntnisse zur Stärkung des Stadtwerke-Konzerns, zur gemeinsamen Zusammenarbeit, zur paritätischen Mitbestimmung und gegen jegliche Privatisierungspläne (PM vom 12. Juni). Diese Erklärung erfolgte zeitgleich mit der von Verdi. Die Gewerkschaft spricht sich gegen die von CDU, FDP und Grünen beschlossene Kandidatur von Reker als Aufsichtsratsvorsitzende aus. Wie die Agenda von Frau Reker für die kommunalen Unternehmen konkret aussehe, fragt Verdi-Geschäftsführer Daniel Kolle «mit Blick auf die Privatisierung des Amtes für Wirtschaftsförderung». Die Aufklärung der Personalie Börschel allein sei kein überzeugendes Programm.

Zur Mißstimmung trug bei, dass Reker den gescheiterten April-Deal gutachterlich auf Straftatbestände hat untersuchen lassen. Es habe ein erhöhtes strafrechtliches Risiko bis hin zu einer ‹untreuerelevanten Pflichtverletzung› für die Mitglieder des Aufsichtsrates» bestanden. .

In diesem Sinne hat zudem die Bürgerinitiative «Köln kann auch anders» einen Einwohnerantrag nach § 25 der Gemeindeordnung initiiert (KR 20. Juni). 8000 Unterschriften sind notwendig, damit sich der Stadtrat mit vier Forderungen der Bürgerinitiative beschäftigt. Das rechtswidrige Verhalten und die daran Beteiligten seien festzustellen sowie personelle Konsequenzen zu ziehen.

Burkhardt Krems, der der Initiative nahe steht, hat zudem eine Strafanzeige gestellt (KR 10. August), damit der Frage nachgegangen werde, ob Gelder des Stadtwerke-Konzerns für einen Personalberater rechtmäßig verwendet wurden.

Auf der Stadtratssitzung vom 5. Juli gab es eine bemerkenswerte Kontroverse, weil Jörg Detjen namens der Linkspartei, aber im Sinne einer Erklärung der SPD-Fraktion («Demnach stand die Oberbürgermeisterin trotz ihres vorherigen Wissens einer Bestellung von Herrn Börschel nicht ablehnend gegenüber» - siehe KR 9. Juni) von Reker wissen wollte, wann sie vom beabsichtigten Deal erfahren habe. Offenbar unterstellt er ihr, und das scheint mir im Blick auf den eben erwähnten Bürgerantrag von Belang, vorher Bescheid gewusst, aber versäumt zu haben, nach Paragraph 113,5 der Gemeindeordnung, den Rat über «alle Angelegenheiten von besonderer Bedeutung frühzeitig» unterrichtet zu haben.

Am 9. Juli wurde Christian Joisten, gelernter Rettungsassistent und Unternehmensberater für Sicherheitsmanagement im Luftfahrtbereich, mit 13 zu 11 Stimmen knapp gegen Klaus Schäfer zum Vorsitzenden der SPD-Stadtratsfraktion gewählt. Amtsantritt 23. Juli.

Am selben 9. Juli fand auch die Sitzung des Aufsichtsrats der SWK statt. Es wurde der neue Aufsichtsvorsitzende der Stadtwerke gewählt. Und es gab eine Überraschung: Statt der Empfehlung des Kölner Stadtrats zu folgen, Oberbürgermeisterin Henriette Reker zur Vorsitzenden zu wählen, bestimmte der Aufsichtsrat Harald Kraus zum Vorsitzenden, allerdings mit einer Einschränkung. Er soll es nur kommissarisch sein. 14 der 20 Aufsichtsratsmitglieder stimmten für ihn. Kraus ist Betriebsratsvorsitzender der KVB. Wir dürfen diesen Vorgang als einen Hinweis verstehen, dass die Arbeitnehmerseite eine Privatisierung nicht ohne weiteres hinnehmen wird.

Just diese Wahl wird von dem erwähnten Rechtsanwalt Burkhardt Krems als rechts- und verfassungswidrig bezeichnet. Diese Behauptung ist sicherlich zunächst zweifelhaft, ohnehin nur zeitaufwendig zu klären. Kraus hat aber schon signalisiert, dass er seine Aufgabe als eine vorübergehende versteht. Die nächste Sitzung des Aufsichtsrats ist für den 14. September geplant. Am vergangenen Freitag (KR 17. August) lässt Kraus mitteilen, er habe Signale aus der Anteilseignerschaft erhalten, dass es einen großen Konsens gebe, einen gemeinsamen Kandidaten zu finden. Da mit ihm die Arbeitnehmerseite über 11 von 21 Stimmen verfügt, kann sie in aller Ruhe Vorschläge abwarten. Vermutlich macht die SPD-Fraktion einen solchen. Oder soll es Jörg Detjen werden? Wir werden sehen können, wie ernst es den Kölner Sozialdemokraten mit der Daseinsvorsorge als öffentliche Aufgabe ist. Das Thema wird uns noch eine Weile begleiten.

Unterdessen werden Dezernentenposten frei. Ende Juni wird mitgeteilt, dass CDU und Grüne in einem gemeinsamen Antrag die Verwaltung auffordern, die Stelle des Stadtkämmerers auszuschreiben und einen Personalberater mit der Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger von Gabriele Klug zu beauftragen. In der Meldung des EXPRESS vom 25. Juni wird von einem zerrütteten Verhältnis zwischen der Fraktionsspitze und Oberbürgermeisterin Henriette Reker auf der einen Seite und Klug auf der anderen gesprochen. Klug schätzte wohl auch die Börschelaffäre anders als Reker ein.

Den Weggang von Schuldezernentin Agnes Klein indes bedauert OB Henriette Reker. Aus privaten Gründen, wie mitgeteilt wird, geht die Sozialdemokratin im Frühjahr 2019 vorzeitig in den Ruhestand, wie am 17. Juli bekannt wurde. Tatsächlich war Frau Klein regelmäßig in ihrer seit 2006 währenden Tätigkeit für die Stadt immer wieder mit den Problemen des Erhalts und Neubaus von Schulen konfrontiert und muß sich dort allein gelassen gefühlt haben. Auch der skandalöse Umstand, dass allein in diesem Frühjahr über 1000 Kinder, die eine Gesamtschule besuchen wollten, zurückgewiesen worden sind, wird ihr angelastet.

Außerdem wird das Amt des Sozial- und Umweltdezernenten neu ausgeschrieben. Harald Rau kandidiert gerade in Offenburg als Oberbürgermeister.

Über die Gründe für diese Personalquerelen muss man spekulieren. Die Deutung von Konrad Adenauer und vieler anderer legt nahe, dass wir es in der Stadtwerkeaffäre mit Korruption zu tun hätten. Vielleicht ist es so im Falle Börschel. Es könnte aber auch Resignation sein. Womöglich glaubt Börschel nicht mehr an den Erfolg seiner Partei und ihres Programms, was auch immer er dafür nimmt. Aber auch eine neoliberale Agenda scheint nicht mehr viel Erfolg zu versprechen. Denn der Widerstand gegen alle möglichen Formen von Privatisierung ist nicht mehr zu unterschätzen. Da kann einem Sozialdemokraten doch schon mal der Spaß an der Politik abhanden kommen.

Im Januar hatte ich über die Haushaltssituation der Stadt referiert. Kämmerin Klug hatte sie als günstig charakterisiert. Man müsse sie für zusätzlichen Schuldenabbau nutzen. Der Kölner Haushalt sei nachhaltig aus der Defizitzone heraus zu führen. Denn bei fallenden Zinsen wachse die globale Verschuldung enorm. Niedrige Zinsen würden keine dauerhaft stabile Lösung der Probleme gewährleisten. Vor allem garantiere niemand, dass sie niedrig bleiben. Das Verhältnis von Verschuldung und BIP sei schlecht, der durch Verschuldung gewonnene Wohlstand fragil und riskant für die Weltwirtschaft. Mit dieser Warnung hat sie auf einen Umstand verwiesen, der so von bürgerlicher Seite selten vorgebracht wird. Man kann es drastischer formulieren: Sollten die Zinsen steigen, brechen die kommunalen Haushalte zusammen. Und nicht nur sie.

So ist die Situation. Wir wissen noch nicht genau, wie darauf zu reagieren ist. Deswegen macht eine Umfrage neugierig, mit der das Sekretariat unserer Partei sich über die kommunalpolitischen Aktivitäten der Grundorganisationen informieren will. Ich habe den Fragebogen mitgebracht.


Klaus Stein, 21. August 2018


Kölnische Rundschau