Köln

Köln: Zwangsräumung vorerst verhindert

Kalle bleibt!

Demonstranten vor Wohnhaus, an dem mehrere Transparente hängen.

20. Fe­bru­ar 2014. Köln, Fon­ta­ne­str. 5: Kal­le Ge­rigk soll aus sei­ner Woh­nung raus, wo er schon 32 Jah­re lebt. Der Ge­richts­voll­zie­her hat sich für heu­te an­ge­kün­digt. Zwangs­räu­mung. Nach­ba­rin­nen, Nach­barn und Un­ter­stüt­zer, or­ga­ni­siert von der In­itia­ti­ve Recht auf Stadt, ha­ben die Nacht vor­sorg­lich im Trep­pen­haus ver­bracht, wei­te­re tap­pen ge­gen 7.00 Uhr her­an. Mit­tels Bol­ler­wa­gen ge­langt vom Bür­ger­zen­trum Feu­er­wa­che Kaf­fee, Milch und Brot vors Haus. Noch im Dun­keln er­klingt auf dem kal­ten Asphalt Bachs Dop­pel­kon­zert, d-Moll – zwei Gei­gen oh­ne das fäl­li­ge Or­ches­ter. We­nig spä­ter sind es schon 300 Men­schen, die die Zwangs­räu­mung blo­ckie­ren wol­len.

Nach­barn ha­ben Trans­pa­ren­te an die Bal­kons ge­hängt, auch sie wol­len, dass Kal­le bleibt. Auf ei­nem steht: Ob­jekt-De­sign hat kei­nen Ei­gen­be­darf. Die­se Fir­ma hat Kal­les Dach­ge­schoss­woh­nung kau­fen las­sen. Of­fen­kun­dig ist der Ei­gen­be­darf vor­ge­scho­ben, um die Woh­nung von Kal­le zu ent­mie­ten und durch Lu­xus­sa­nie­rung ho­he Pro­fi­te zu er­zie­len. Das meint der Be­griff Gen­tri­fi­zie­rung: wer sich’s nicht leis­ten kann, muß raus aus der Woh­nung. Nicht nur in Köln ex­plo­die­ren die Mie­ten. An­ge­sichts kri­sen­be­ding­ter An­la­ge­pro­ble­me flie­ßt im­mer mehr Ka­pi­tal in Im­mo­bi­li­en. We­ni­ger in Neu­bau­ten als in den Alt­bau­be­stand.

Nachtmusik für zwei Geigen, viele Zuhörer.

­Ge­gen 8.00 Uhr naht der Ge­richts­voll­zie­her, be­glei­tet von drei Po­li­zis­ten. Die De­mons­tran­ten, die so früh auf­ge­stan­den sind, set­zen sich. Der Ge­richts­voll­zie­her spinxt mal über das Trans­pa­rent »Zwangs­räu­mung ver­hin­dern!« Es sind zu vie­le Blo­ckie­rer. Für den Mann sieht es nicht gut aus. Un­weit war­tet zwar ei­ne Hun­dert­schaft Po­li­zis­ten. Aber wer­den die ihm den Weg bah­nen? Das The­ma Woh­nungs­not ist bri­sant und am 25. Mai Kom­mu­nal­wahl. Da könn­te so ei­ne Maß­nah­me hei­kel wer­den. Die gan­ze Stadt schaut zu. Zu­nächst gilt es zu war­ten. Per Me­ga­phon kom­men im­mer mal wie­der An­sa­gen. Sprech­chö­re: Al­le für Kal­le! Die Po­li­zei er­war­tet wohl, daß sich die Men­ge aus­dünnt. Die aber hält aus. Sie lauscht Klaus, dem Gei­ger. We­nig spä­ter hält uns ei­ne un­er­müd­li­che Grup­pe von Tromm­lern warm.

Um 11.20 Uhr kommt die Nach­richt: der Ge­richts­voll­zie­her ver­zich­tet für heu­te, frü­hes­tens in 14 Ta­gen kann er den nächs­ten Ter­min ma­chen. Die Men­ge ju­belt, zieht vor die Agnes­kir­che zu ei­ner spon­ta­nen Kund­ge­bung. Kal­le be­dankt sich.

Text und Fotos: Klaus Stein


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